Nach drei Wochen heißt es nun also wieder Sachen packen, Luft aufpumpen, Kette ölen und auf geht’s! Wir verabschieden uns herzlich von allen und machen uns auf den Weg gen Bangkok. Unser Plan ist es, den großen Highway, der hier im wahrsten Sinne des Wortes hoch oben verläuft, so gut es geht zu umgehen.

Viel Spaß beim Lesen!

Unser Vorhaben gelingt uns tatsächlich. Nur wenige Meter müssen wir auf dem Highway hinter uns bringen, wobei wir auch nicht wirklich auf den Highway, sondern auf die ebenso vollen, flankierenden Straßen abbiegen. Es ist unglaublich, insgesamt sind es bestimmt zehn Spuren, die hier den Verkehr abwickeln. Das heißt aber nicht, dass man auch immer die Spur nehmen muss, in deren Richtung man fährt. Das Wort „Geisterfahrer*in“ hat wohl in ganz Asien keine wirkliche Bedeutung.

Am Abend erreichen wir Samut Prakan. Die Stadt liegt Luftlinie ca. 20 km vom Zentrum Bangkoks entfernt und doch spürt man auch hier den hektischen Großstadtflair. Es mag daran liegen, dass der Skytrain uns in ca. 30 Minuten direkt bis ins Zentrum befördern könnte. Die Expansion der Metropole Bangkok spürt man natürlich auch auf der Straße.
Wir sind froh, dass wir nicht durch Bangkok radeln müssen. Irgendwie wirkt es für uns anstrengender als andere Großstädte. Vielleicht liegt es daran, dass die Stadt so modern ist und die Straßen vor allen von Autos, Lkw und Bussen befahren werden. Es gibt zwar auch unzählige Mopeds, aber die sind bei weitem nicht so präsent wie beispielsweise in Ho Chi Minh City oder Delhi. Es gibt keine linke Spur, die den langsamen und kleinen Fahrzeugen gehört. Alles ist viel rasanter!
Am nächsten Morgen quetschen wir unsere Räder auf eine Fußgängerfähre über den Chao Phraya.

Auf der anderen Seite erwartet uns eine relative entspannte Straße entlang eines Kanals, dem wir bis Samut Sakhon folgen, wo auch schon die nächste Fähre auf uns wartet. Wir rollen anschließend zu der kleinen Bahnstation und fragen nach einem Ticket. 
Zu unserer Überraschung ist es überhaupt kein Problem, die Räder mit in den Zug zu nehmen. Die Schaffner helfen uns nach der Ankunft des Zuges sogar dabei, unsere ganzen Taschen in den Zug zu laden. Wir denken sofort an unsere Zugodyssee in Tashkent zurück. Da könnten sich die korrupten Schaffner aus Kasachstan noch was abgucken. Tropisch grünende Landschaft zieht vor dem Fenster an uns vorbei. Die Strecke ist schön, aber es ist auch schön, nicht mehr gegen den Wind treten zu müssen. Außerdem müssen wir uns ein bisschen sputen, da die Schwimmenden Märkte im Südwesten Bangkoks nur am Wochenende stattfinden und schon Samstag ist.
Wir steigen in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo aus. Sofort helfen uns wieder zwei Frauen beim Ausladen. Nach einer kurzen Fotosession mit den beiden radeln wir dann noch etwa 10 km zu unserer heutigen Unterkunft, die sich direkt neben dem Tha Kha Floating Market befindet. Die Umgebung auf der Strecke weckt Erinnerungen an das Mekongdelta in uns. Das Gästehaus, welches früher mal eine Schule war, ist voll bis unters Dach.

Eine entspannte Morgenstimmung liegt in der Luft. Wir sitzen mit Kaffee am Steg und die ersten Omis paddeln mit ihren Marktbooten den Fluss entlang. Plötzlich raunt ein lauter Motor aus den Tiefen der Kokoswälder. Der Lärm kommt immer näher, aber entgegen unseren Erwartungen sitzen hier keine rasenden Jugendlichen auf dem Kahn, sondern eine Metzgerin, die wohl den Wecker verschlafen hat. Ein sehr lustiger Moment.
Wir lassen uns einfach Treiben über den kleinen, sehr ursprünglich wirkenden Markt. Im Gegensatz zu unseren Erfahrungen in Vietnam, wirkt der schwimmende Markt hier überhaupt nicht touristisiert. Auch, wenn die Märkte ihren Ursprung aus Zeiten haben, in denen der Wassertransport noch eine wichtigere Rolle im täglichen Leben spielte und heute hauptsächlich als Attraktion für Tourist*innen dienen.

Es sind zwar hier und da ein paar andere Reisende aus Thailand zu sehen, aber ansonsten scheinen es Menschen aus der Umgebung zu sein, die hier ihre Einkäufe erledigen. Wir beobachten immer wieder wie auch die Verkäufer*innen gegenseitig Sachen von ihren Booten kaufen. Wir erfahren, dass erst vor einem Jahr die Straße in das hiesige Sumpfgebiet fertiggestellt wurde. Inwiefern auch dieser Markt in Zukunft an lokaler Bedeutung verlieren wird und sich vollends in eine Touristenattraktion verwandeln wird, können wir nur mutmaßen.

Neben dem Verkauf von Fleisch, Obst und Gemüse, werden auch lokale Gerichte auf den schwimmenden Küchen in den Booten gekocht und zubereitet.                                                      

Als es dann langsam zu warm wird, schwingen wir uns auf die Räder und schlängeln uns über kleine Straßen in Richtung Mae Klong, was vor allem für seinen Railway Market bekannt ist. Wie der Name schon sagt, findet dieser an und neben den Schienen des Bahnhofes statt.
Uns erwartet ein Schauspiel aus Influencer*innen, Fotowütigen und Menschenmassen, die sich gegenseitig im Weg stehen und auf die Füße trampeln. Auf dem Markt werden vor allem Billigklamotten, Souvenirs und auch Lebensmittel verkauft. Wir kaufen uns eine Kokosnuss, da man sonst nicht an den Schienen stehen bleiben darf, wenn das Szenario, für das auch wir hier sind, beginnt. Nach mehrmaligem Hupen werden die Schirme der Verkaufsstände neben den Schienen eingeklappt, um der herannahenden Lok Platz zu machen.
Der farbenfrohe Zug fährt nur wenige Zentimeter an uns vorbei, wobei man wohl eher von schleichen sprechen kann. 10 Minuten später findet das ganze Spektakel dann nochmal in umgekehrter Richtung statt, die Schirme werden wieder aufgeklappt und auch wir machen uns schleunigst wieder auf den Rückweg. Rückblickend war es mal wieder einer dieser Orte, der vom Tourismus völlig überrannt und dadurch sehr unauthentisch ist. Umso schöner ist es zu hören, dass Juli und Mark später mitten in der Woche einen viel authentischeren Ort hier vorfinden werden, aber wir waren nun mal an einem Wochenende hier.

Wir kehren zurück auf unseren, entspannten Markt. Das Gästehaus ist heute komplett leer, denn das Wochenende neigt sich dem Ende und damit beginnt das Wochenende für Nori und Peter, unsere Gastgeber. Peter zeigt uns voller Stolz das traditionelle Holzhaus und teilt uns fröhlich mit, dass wir das Haus heute ganz für uns allein haben. Die beiden bringen ihre Tochter, die Pharmazie studiert, heute zurück in ihre Universitätsstadt und besuchen unterwegs noch die Familie. Sie bieten uns an, uns mit auf den großen und weitaus bekannteren schwimmenden Markt in Amphawa mitzunehmen.
 Nachdem die Wäsche noch für uns gewaschen wurde, sitzen wir auch schon im Familienauto. Nori erzählt uns, dass sie müde ist vom vielen Kochen am Wochenende. Voller Stolz fügt sie aber auch noch hinzu, dass es dafür auch ein sehr erfolgreiches Wochenende war. Peter, der eigentlich einen sehr schwer auszusprechenden thailändischen Namen trägt und sich deshalb so getauft hat, ist eher fürs Entertainment zuständig. Er ist Gastgeber mit Herz und Seele. Schon am ersten Abend erzählt er uns viel und erklärt alles. Nur die Tatsache, dass morgens vor Marktbeginn immer Mönche auf Booten ihre morgendlichen Almosen einsammeln, hat er leider vergessen. Dann müssen wir wohl morgen noch einmal früh aufstehen.

Wir sind da. Der schwimmende Abendmarkt von Amphawa ist wieder ein neues Erlebnis. Auf dem Wasser fahren nur Boote für Tourist*innen hin und her. Der Markt an sich ist aber eigentlich ganz urig. Vor allem durch die vielen, offenen Ateliers und den Verkauf von Kunsthandwerk, hat dieser Markt seinen ganz eigenen Charme. Wir schlendern die wunderschönen Holzfassaden am Kanal entlang, lauschen nach langer Zeit mal wieder einer Liveband und futtern leckere Sachen. Abends fallen wir schon kaputt ins Bett, bevor die beiden zurück sind. Insgesamt war der Tha Kha Floating Market für uns der authentischste von allen und die beste Möglichkeit, um die Kultur des Einkaufens am Flussufer kennen zu lernen.

Der Wecker klingelt vor Sonnenaufgang. Wir setzen uns auf die Brücke des Marktgeländes und warten gespannt auf ein leuchtendes Orange im Morgengrauen. Irgendwann kommt ein einzelner Mönch auf dem Boot so schnell angepaddelt, wie er wieder weg ist. Noch eine Sache, die uns Peter wohl verschwiegen hat, bei seiner Informationsflut. Die Gabe von Almosen an die Mönche, ist durch eine vorherige Anmeldung der Bewohner*innen geregelt.
Später erzählt er uns, dass der Mönch natürlich nicht nochmal hier hält, da er ja gestern an diesem Steg seine Gaben erhalten hat. Das erwähnt er beiläufig mit so einer Selbstverständlichkeit, die uns verdeutlicht, wie ungezwungen der Buddhismus im Alltag in Thailand verwurzelt ist. Für uns hat sich das Aufstehen schon allein wegen der Morgenstimmung gelohnt.

Der Buddhismus ist Thailands Volksreligion Nummer 1 und hat einen unglaublich hohen Stellenwert. Etwa 95 % der Bevölkerung bekennen sich zum buddhistischen Glauben. Die unzähligen Tempel und goldenen Buddhastatuen sind kaum zu übersehen. Gefühlt hat selbst das kleinste Dorf sein eigenes Wat. Auch, die ins satte Orange ihrer bodenlangen Wickeltücher gehüllten Mönche, die oft barfuß durch die thailändischen Straßen gehen, genießen größten Respekt in Thailand.

Auch der animistische Glaube ist in Thailand noch weit verbreitet. Die uns bereits aus Laos bekannten San Phra Phum (Schrein der Erdgeister) strahlen uns immer wieder in den unterschiedlichsten Farben entgegen. Die Geisterhäuser sind oft vor Privathäusern, aber auch an Höhlen, Felsen oder in Tempeln zu finden. Damit die Geister den Menschen wohlgesonnen bleiben, müssen sie besänftigt werden. Aus diesem Grund werden dem darin wohnenden Geist regelmäßig kleine Mahlzeiten oder Getränke angeboten oder die Leute entzünden Räucherstäbchen. Es handelt sich dabei um Relikte verbleibender Traditionen eines alten, animistischen Glaubens. Im Laufe der Zeit hat sich eine Koexistenz mit dem Buddhismus herausgebildet.

Wir schwingen uns wieder auf unsere Räder und durchstreifen die wunderschönen, schattenspendenden Kokoswälder. Uns bläst zwar schon am späten Vormittag ein kräftiger Wind entgegen, aber die Umgebung ist so voll an Details, dass man die Anstrengung schnell vergisst. Außerdem ist Thailand ein Radfahrparadies, wir sind entweder auf kleinen, gut asphaltierten Straßen oder echten Radwegen unterwegs!

Vereinzelte Sonnenstrahlen dringen durch das dichte Dach aus Palmenblättern und setzen einzelne Details in Szene. Wir dringen zu Fuß weiter hinein in den Wald, es wird kühler und ruhiger, bald hört man nur noch das Rascheln der Palmenblätter im Wind. Ein Mann steht bis zur Taille im Wasser und schöpft Schlamm, um den Damm des Kanals zu reparieren. Immer wieder beugt er den Oberkörper nach vorn, halb in den Schlamm, um dann mit Schwung eine neue Ladung herauszuholen.

Die Kokosnuss ist hier nicht das Einzige, was von den Plantagen abfällt. In der Gegend wird Kokoszucker hergestellt und wir radeln an der ein oder anderen Fabrik vorbei. Schornsteine aus Ziegel ragen empor und schleudern dicken, dunklen Qualm heraus. Manchmal riecht es nach karamellisiertem Zucker. Wir stoppen an einer Fabrik, stellen uns auf Zehenspitzen und blinzeln über die Mauer. Ein recht junger Mann steht an dem großen Bottich über der lodernden Flamme. Er rührt den brodelnden, zähflüssigen Sirup, während ihm immer wieder eine neue Rauchschwade umhüllt. Auf der anderen Seite zerhackt eine Frau einen großen Klumpen. Die goldgelben Zuckerkristalle werden anschließend in der Sonne vor der Fabrik getrocknet. 

Die Blüte der Kokospalme wird am Stamm abgetrennt. An der Schnittstelle kann nun der austretende Sirup aufgefangen werden. Der Schnitt muss jeden Tag erneuert werden und der Sirup innerhalb kürzester Zeit weiterverarbeitet werden. Also rein in den großen Kessel damit. 

Die großen Wasserläufe des Chao Phraya, die südlich von Bangkok in den Golf münden, hinterlassen ein riesiges Sumpfgebiet. Die tropischen und subtropischen Süßwassersumpfwälder erstecken sich auf einem Gebiet ungefähr so groß wie Baden-Württemberg.
Wir radeln durch ein sehr wasserreiches Gebiet, was wir deutlich spüren, doch an einen Sumpf erinnert uns die Gegend nur selten. Unsere Wahrnehmung spiegelt sich da wohl mit der Realität, denn von dem riesigen Sumpfgebiet sind nur noch kleine Flächen in ihrer natürlichen Form zu finden. Der Mensch hat sich die Natur zu eigen gemacht und die Kultivierung der Sumpffläche für Landwirtschaft und urbanes Gebiet vorangetrieben. Das gravierendste Beispiel ist hierfür wohl die Metropole Bangkok, aber auch die vielen Fischfarmen, Kokoswälder, Reis- und Salzfelder zeugen davon.

Wenn man genau hinschaut, kann man die Spuren der vergangenen, natürlichen Flora noch erspähen und auch die Fauna zeugt von einem besonderen Gebiet, in dem wir uns gerade befinden. Allerdings muss man auch hier sagen, dass viele der Vögel, die wir beobachten können, bereits bedroht sind oder ein seltenes Vorkommen aufweisen.
Wir genießen es die kleinen, bunten Vögel zu beobachten, wenn sie von einem Ast zum nächsten fliegen und den tropischen Soundtrack zum Radfahren liefern. Wir pirschen uns an große Buntstörche heran und sind sehr beeindruckt, wenn sie sich in einer großen Schar vor uns mit weiten Flügelschlägen in den Himmel erheben. Da oben im Himmel, wo wir sonst nur die großen Reiher oder die königlichen Seeadler kreisen sehen. Wenn unsere Blicke zurück auf den Boden gleiten, dann sehen wir hier und da die rotbeinigen Stelzenläufer ganz still und starr im Wasser stehen.

Ja und dann haben wir da auch wieder diesen Zwiespalt in uns, denn natürlich gefällt es uns nicht, dass die Natur zurückgedrängt wird, aber würden wir deshalb auf das wichtigste Gewürz in unsere Küche verzichten wollen? Wohl eher nicht! Es ist eben alles nicht so einfach, wie es scheint.
Unsere Route führt uns durch unzähligen Salzfelder und der Wind peitscht uns erbarmungslos entgegen. Es gibt auf dem flachen Terrain auch nichts, was sich den 20 Knoten entgegenstellt. Auch hier ist der Wind zwar nervig, aber die Ablenkung viel größer.

Neben den Salzwiesen stehen große Hallen aus Holz, die gefüllt sind mit riesigen Haufen. Leider verpassen wir die Ernte des weißen Kristalls. Es ist bestimmt ein schönes Bild, wenn das Salz auf den Feldern zu kleinen Haufen zusammengerecht und anschließend in den Holzkörben abtransportiert wird. Das Licht in der Abendstimmung ist wunderschön. Die unterschiedlichen Farben der Salzwiesen stehen im Kontrast zu der grünen Natur und dem blauen Himmel.

An einem kleinen Verkaufsstand wollen wir uns mit neuem Salz eindecken. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht wackelt uns eine ältere Frau entgegen. Als wir ihr andeuteten, dass die Verpackungen viel zu groß für unsere Fahrradkapazitäten sind, ruft sie ungläubig ihren Mann. Doch auch der weiß nicht, wie er uns helfen soll. Dann kommt ihr Sohn, der Englisch spricht. Er hat schnell eine Lösung, nimmt die Tüte voll Salz und schüttet die Hälfte davon zurück in den großen Behälter. Es ist immer noch zu viel. Er lacht, halbiert es erneut zu einer radfreundlichen Größe und schenkt uns das weiße Gold.

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  1. Karen Schröder

    Liebe Thailandexperten! Dieser Blog ist so exotisch schön und entspannt, wie wir uns Asien vorgestellt haben. Die Vögel 🐦🐦 mit den roten Beinen erinnern an hiesige Vögel wie Störche, Reiher und Austernfischer. Das Vogelkonzert muss toll sein! Weiterhin schöne Eindrücke ohne versalzene Episoden wünschen euch Renate und Karen aus Kiel ☀️☀️