Im Süden lernen wir noch einmal ganz andere Facetten von Thailand kennen. Unser Weg führt uns dabei durch Plantagen und über traumhafte Inseln bis ins nächste Land unserer Reise: Malaysia.

Viel Spaß beim Lesen!

Wir landen in Ban Song, etwa 50 km südlich von Surat Thani. Mit dreistündiger Verspätung steigen wir in der brennenden Mittagshitze aus dem Zug und ergreifen sofort die Flucht ins nächste Plastikstuhlrestaurant. Dort beschließen wir, dass es heute keinen Sinn mehr macht weiter zu radeln. Wir sind zu kaputt vom zeitigen Aufstehen und es ist einfach viel zu heiß. Wir finden überraschenderweise einen gemütlichen Bungalow im Grünen und verbringen den restlichen Tag möglichst im Schatten.

Wesentlich ausgeruhter machen wir uns dann am nächsten Morgen auf den Weg in Richtung der Provinz Krabi an der südlichen Westküste Thailands. Wir fahren durch Plantagen, Plantagen und nochmals Plantagen. Die einzige Abwechslung besteht zwischen der Art der Kultivierung: Palmöl oder Kautschuk. Die geordneten Reihen, die eine Mischung aus Ästhetik und Langeweile ausstrahlen, spenden uns aber immerhin Schatten. Als wir im Iran einst die Bedeutung eines Namens erfahren haben, waren wir noch verwundert darüber, dass uns die Namensbedeutung „Schatten“ mit solch einem Stolz präsentiert wurde. Zwei Jahre später können wir dies um einiges mehr nachvollziehen.

Irgendwie sind die Menschen hier anders drauf, als wir es die letzten Wochen erlebt haben. Wir fühlen uns nicht wohl. Vielleicht liegt es am ekligen Kautschukgeruch, der hier des Öfteren in der Luft liegt. Wenn wir das jeden Tag riechen müssten, dann würde uns wohl auch das Lachen vergehen. Vielleicht liegt es an unserer Verfassung, die auch etwas nach einer Pause durstet. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir in der Nähe einer Konfliktregion befinden (Südthailand), wo Menschen leben, die mit Diskriminierung zu kämpfen haben. Menschen, die sich in der friedlich und frei wirkenden, thailändischen Umgebung und einem überwiegend buddhistischen Land als gläubige Muslim*innen vielleicht als Bürger*innen zweiter Klasse behandelt fühlen. Wie so oft wissen wir nicht, was dahintersteckt und es können auch zufällige Begegnungen sein, doch es ist eben etwas, was uns auffällt und beschäftigt.

Am Abend freuen wir uns auf wohltuende Hot Springs. Doch wie es manchmal so ist. Wenn der Wurm drin ist, dann richtig. Als wir nach 100 km Fahrerei dort ankommen, will der Typ, den wir vorher sogar zwecks Campings an seiner Unterkunft kontaktiert haben, nun plötzlich utopische Summen dafür, dass wir unser Zelt eine Nacht in seinem Garten aufstellen dürfen. Mit utopisch meinen wir, mehr als eine Unterkunft in Thailand eigentlich kostet, zuzüglich Gebühren für eine Dusche. Als er uns schrieb, dass er sich den Preis noch überlegen müsse, haben wir nicht mit so etwas gerechnet. Wir sind sauer, da es gleich dunkel wird und wir einfach nur noch schlafen wollen. Hätten wir das gewusst, dann hätten wir einfach an einem Tempel gefragt oder wären nicht noch den Umweg zu den Hot Springs gefahren. Genervt setzen wir uns aus Prinzip nochmal auf die Räder und fahren im Dunkeln bis in die nächste Stadt, um uns ein Gästehaus zu suchen, etwas Essbares zu finden und danach nur noch ins Bett zu fallen.

Umso südlicher wir kommen, desto muslimischer ist das Straßenbild geprägt. Zu den vielen Wats gesellen sich immer mehr Moscheen. Zu den meditativen Klängen aus den buddhistischen Klöstern kommen nun fünf Mal am Tag auch die Rufe des Muezzins dazu. Es begegnet uns nun noch mal ein ganz anderes Thailand, als wir es in den letzten Wochen wahrgenommen haben.

Die Weiterfahrt nach Koh Lanta gestaltet sich in den nächsten Tagen nicht weniger öde. Zu den Plantagen verdichtet sich auch zunehmend der Verkehr. Es ist heiß, anstrengend und wir möchten einfach nur noch in unseren wohlverdienten Inselurlaub, den wir uns als Alternative für Koh Tao überlegt haben. Einfach nur noch schnell zur Fähre.
Diese bringt uns innerhalb kürzester Zeit auf die recht einsam wirkende Nordinsel. Als wir dann die Brücke zur Südinsel passiert haben, bekommen wir erstmal einen Schock. Der ganze Hafen wimmelt nur so von Tourist*innen. Außerdem Shops über Shops mit Billigschrott und überfüllte Straßen. Es ist extrem heiß und der Weg gen Süden zieht und zieht sich nochmals wie ein Kaugummi. Wir sind fertig mit der Welt und fragen uns wirklich, ob wir dafür jetzt ernsthaft hier her geradelt sind?

Letztlich wendet sich aber doch noch alles zum Guten. Unsere Unterkunft liegt zum Glück fernab des Trubels in einem tropischen Wald. Durch unseren neuen Zufluchtsort können wir der Parallelwelt am Strand immer wieder schnell entfliehen. Wir wissen gar nicht, wann wir das letzte Mal so viele westliche Urlauber*innen, die sich so seltsam benehmen, gesehen haben oder ob wir so etwas überhaupt schon einmal während unserer Reise gesehen haben. Die Natur der Insel ist schön und es gelingt uns durchaus auch ein paar einsame Strände zu finden. Die meiste Zeit verbringen wir allerdings tatsächlich in unserem Holzhäuschen. Das tut gut!

Nach einer knappen Woche verlassen wir die Insel über die viel entspanntere Ostseite. Hier ist es in den frühen Morgenstunden noch wie leergefegt. Heute erblicken wir zum ersten Mal mehr Einheimische als Touris auf den Straßen. Viele Moscheen säumen die Straßen der kleinen Dörfer auf der entspannten Ostseite. Zurück auf dem Festland radeln wir schon bald wieder durch Kautschuk- und Palmölplantagen mit wohltuendem Schatten.

Mit riesigen Sicheln, die an langen Bambusstangen befestigt sind, werden gerade überall die Früchte aus den Baumkronen der Ölpalmen geerntet, die bis zu 30 Meter groß werden können. Die einzelnen Früchte, die in Bündeln wachsen, sind an sich nur drei bis fünf Zentimeter groß. Immer wieder überholen uns Transporter beladen mit den geernteten Fruchtbündeln, manchmal auch riesige LKW, die die Ernte zum Wiegen oder in die Fabriken transportieren, wo sie letztlich zum weltweit am häufigsten verwendeten Pflanzenöl verarbeitet werden.
Südostasien gilt als Hauptanbaugebiet für Palmöl. Es weist den besten Flächenertrag aller Ölpflanzen auf und ist sehr vielseitig einsetzbar. Die riesige Nachfrage führt dazu, dass immer mehr Ölpalmen angebaut werden und damit eben leider auch zu Regenwaldzerstörung, Artenverlust, Zerstörung der Biodiversität und einer Beschleunigung des Klimawandels (vgl. Factsheet Palmöl Oro Verde).
Der Weg aus dem Palmöl Dilemma erfordert mit Sicherheit ein Umdenken auf verschiedenen Ebenen. Letztlich können aber auch wir als Verbraucher*innen unseren Beitrag dazu leisten, z.B. indem wir unser eigenes Konsumverhalten überdenken und ändern (mehr erfahren).

Wir rollen und rollen und haben bereits zum Mittag 70 km geschafft. Wir fühlen uns zunehmend wieder wohler und bekommen wieder viel öfter das altbekannte Thai-Smile zugeworfen, vielleicht sind wir aber auch einfach viel ausgeruhter durch unsere Inselpause und strahlen selbst mehr Freundlichkeit aus. Läuft heute könnte man denken. Doch danach zieht es sich eben doch wieder ewig bis zum Ziel, dem Meer.
Einer der für Thailand typischen Abend- bzw. Nachtmärkte verhilft uns zum Glück nochmal zu neuer Energie. Wie der Name bereits verrät, nimmt der Basar regulär erst am späten Nachmittag seinen Betrieb auf. Es ist der Ort, wo sich viele Einheimische zum Schlendern, Einkaufen und vor allem natürlich zum Essen treffen. Jeder der Stände hat sich auf eine kleine Spezialität der Straßenküche, die selbstverständlich frisch zubereitet wird, spezialisiert. Die perfekte Gelegenheit, um sich durch die köstliche, thailändische Küche zu probieren. Wir kaufen auch gleich noch, wie es in Thailand üblich ist, fürs Abendessen ein. Irgendwie haben wir gerade sowieso nicht so die Muße selbst zu kochen. Das ist tatsächlich das erste Mal auf der Reise, aber das thailändische Essensangebot ist auch einfach sehr verlockend und noch dazu sehr günstig.

Wir erreichen den Pak Meng Beach kurz vor Sonnenuntergang und finden wenig später einen wunderschönen Platz am Meer. Während des Sonnenuntergangs schwimmen wir nochmal. Das Meer fühlt sich heute tatsächlich so warm an wie eine Badewanne, aber es ist herrlich. Besonders mit der Aussicht auf die Karstfelsen.
Doch schon bald wird das Zwicken der kleinen Ameisen im Sand so unerträglich, dass wir die Flucht ins Zelt ergreifen. Die Nacht ist okay, aber wir sind immer mal wieder wach, weil es einfach zu warm ist und noch immer ist es leider so, dass sich der tägliche Gegenwind in der Nacht des Öfteren aus dem Staub macht. Ein Hoch auf unseren Miniventilator, der uns in diesen Nächten etwas Wind beschert und unser südostasienfreundliches Zelt Luftikus. Mit unserem Tunnelzelt wären wir hier in Südostasien vermutlich schon längst gegart.

Da es so schön ist, lassen wir uns am nächsten Morgen sehr viel Zeit. Beim ein oder anderen Kaffee beobachten wir das Krabbenspektakel am Strand und baumeln in den Hängematten. Nur der Hunger zwingt uns irgendwann zum Aufbruch. Kurz vor der Abfahrt werden wir dann nochmal freundlich daran erinnert, dass es hier in Thailand Tiere gibt, denen man lieber nicht zu nahekommt. Ein Skorpion hat sich in unsere Radsachen am Fahrrad verirrt. Wir entdecken ihn zum Glück, bevor er seinen Stachel benutzen kann.

Zu unseren erhofften Hot Springs sollen wir trotz der ersten Enttäuschung doch noch kommen. Die im Kantang Forest Park sind zwar nicht so spektakulär wie der Khlong Thom in Krabi, wo das heiße Wasser über einen Wasserfall hinunterstürzt, aber dafür noch sehr natürlich. Wobei die Bauarbeiten für eine großangelegte, touristische Anlage fast abgeschlossen sind. Das bis zu 60 Grad heiße Wasser sprudelt aus einer unterirdischen Quelle und fließt einen Fluss entlang. Saftig grüne Wasserpflanzen schwenken in der leichten Strömung des klaren in verschiedenen Blau- und Grünnuancen schimmernden Wassers hin und her.
Je nach Empfinden setzt man sich weiter oben oder unten in den Fluss und genießt das wohltuende Wasser. Die Atmosphäre ist sehr entspannt. Überall sitzen kleine Gruppen in größeren Pfützen des Flusses und schöpfen sich heißes Wasser über den Kopf. Es wird immer voller am „Hauptbadeplatz,“ da, wo das Wasser am heißesten ist. Eine Gruppe älterer Frauen gesellt sich zu uns. In ihre bunten Gewänder gehüllt, steigen sie zaghaft nach und nach in den Fluss. Schnell entfacht sich ein heiteres Geschnatter, in das auch wir nach anfänglicher Zurückhaltung mit eingebunden werden. Ein Mann steckt seinen Kopf gleich ganz mutig komplett unter Wasser an den heißen Flusslauf. Als dann auch noch zwei Frauen einen kleinen Marktstand mit frischen Kräutern und Gemüse auf einer Decke neben dem Fluss ausbreiten und die Leute anfangen ihre Einkäufe zu erledigen, kommen wir aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus.

Thailand ist ein Paradies für Radfahrer. Das haben wir ja nun schon oft genug beschrieben, aber es sind nicht nur die guten Straßen und Radwege sowie die einfachen Möglichkeiten an Köstlichkeiten aller Art zu kommen. Es ist auch dahingehend ein Paradies, dass man eigentlich überall eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit finden kann. Da gibt es zum einen unzählige Polizeistationen, die ein Extrazimmer für Reisende haben, das man für eine Nacht beziehen kann und zum anderen gibt es die Wats. Die buddhistischen Klosteranlagen bieten zwar nicht persé einen Raum an, doch die Wahrscheinlichkeit, dass man aufgenommen wird, ist eben sehr hoch. Manchmal darf man sein Zelt aufbauen, die Toilette und Dusche nutzen, manchmal bekommt man sogar einen Raum mit AC. Was für ein Traum! Ein weiteres Zeichen für die offene und gastfreundliche Art Thailands! Das wir dies so gut wie nie wahrnehmen liegt eben daran, dass es in Thailand noch eine wunderbare Möglichkeit gibt, die Nacht zu verbringen. Es ist so einfach wie seit Zentralasien nicht mehr unser Zelt irgendwo aufzustellen. Wir genießen dies in vollen Zügen.

Doch eines Abends ist es auch für uns soweit und wir fragen in einem Wat. Ein in ein leuchtend orangefarbenes Gewand gehüllter, recht junger Mann begrüßt uns auf die gewohnt freundliche Art und Weise. Wie bei allen Mönchen ist auch sein Kopf kahlgeschoren. Ein Zeichen dafür, dass sich nicht nur von materiellen Besitztümern losgelöst, sondern auch keinen Wert mehr auf weltliche Dinge, wie Eitelkeit und Schönheit, gelegt wird und die Mönche sich somit ganz ihrem buddhistischen Glauben widmen können.

Er bringt uns in die große, offene Halle und zeigt uns, wo wir unser Zelt aufbauen dürfen. Wir sind mehr als glücklich. Etwas später kommt dann auch noch der oberste Mönch bei uns vorbeigeschaut und erkundigt sich nach unserem Wohlbefinden, bevor er uns vor den Affen warnt, die hier ab und an vorbeischauen. Er verabschiedet sich mit den Worten „Enjoy yourself!“ und wünscht uns einen angenehmen Aufenthalt.

Es trennen uns nicht mal mehr 100 km von Satun, der letzten Stadt vor unserer nächsten Grenzüberquerung. Im Handumdrehen sind auch schon wieder zwei Monate passé. Unsere Zeit in Thailand läuft ab, genauer gesagt unsere visafreie Aufenthaltserlaubnis.
Thailand hat uns überrascht und verzaubert. Wir hatten die Befürchtung, dem Massentourismus ausgeliefert zu sein und aufgrund unserer gewählten Route von einer Hochburg zur nächsten zu radeln. Das Rad ist dabei, wie so oft, die perfekte Möglichkeit, um dem zu entkommen und schon wenige Kilometer hinter der touristischen Attraktion das authentische, thailändische Leben zu spüren.
Außerdem waren wir der Natur hier so nah wie schon lange nicht mehr. Oder sagen wir besser, der intakt wirkenden Natur. Was sich auch darin zeigt, dass wir so viele Vögel beobachten konnten.
Doch das mit Abstand Schönste waren, wie immer, die Menschen mit ihrer offenen und herzlichen Art, mit ihrem verzaubernden Lächeln, mit ihrem Thai Smile.  

Malaysia erreichen wir mit einer Fähre. Unser erster Länderwechsel über Wasser. Die Passkontrolle verläuft ohne Probleme und um ein Visum müssen wir uns hier ebenfalls nicht kümmern. Unser deutscher Pass ermöglicht uns einen Aufenthalt bis zu drei Monaten.
Nach einer schlaflosen Nacht in Satun an der stark befahrenen Straße, sitzen wir sehr übermüdet auf der kleinen Fähre. Unsere Räder stehen auf dem Außenbereich und wurden notdürftig mit einem Bindfaden an der Railing befestigt. Seicht schaukeln wir über das wunderschöne, blaue Wasser der Straße von Malakka bis auf die malaiische Insel Langkawi.
Als wir in der späten Mittagssonne das Hafengelände in Kuha verlassen, rollen wir durch fast leere Straßen. Wir haben Hunger, doch so gut wie alle Restaurants und Straßenstände haben geschlossen. Befinden wir uns etwa schon im Ramadan oder sind die Essenszeiten hier einfach anders? Wir finden zum Glück noch etwas und fühlen uns in der neuen, alten Sprache „Bahasa Malaysia“ direkt wieder gut aufgehoben. Die indonesische Sprache (Bahasa Indonesia) und die Bahasa Malaysia sind lediglich verschiedene Sprachversionen der Malaiischen Sprache und sich dadurch linguistisch ziemlich ähnlich. Wir erkennen viele Wörter aus Indonesien am Straßenrand wieder.

Auf Langkawi werden wir ein paar Tage verbringen. Wir erkunden die Insel mit einem Scooter und tauchen ein in die wunderschönen Regenwälder, bestaunen Wasserfälle, lassen unsere Blicke von hoch oben über die grüne Insel streifen und beobachten die reiche Tierwelt. Brillenlanguren klettern einen Baum hinauf und schauen uns verdutzt an. Ein Schwarzes Riesenhörnchen balanciert auf einem Stromkabel direkt an unserer kleinen Hütte vorbei. Über uns kreisen Hornbills und einen bekommen wir sogar ganz aus der Nähe zu Gesicht.

Langkawi ist eine touristische Insel mit allen Vor- und Nachteilen, die das Ganze mit sich bringt. Als wir uns mit dem Scooter über kleine Straßen zwischen den Reisfeldern hindurch schlängeln, erleben wir, wie so oft, ein konträres Bild zur Strandpromenade. Die warmen Winde, die hier am Nachmittag wehen, werden von Klein und Groß für ein beliebtes Hobby genutzt. Schon in den kleinen Geschäften am Straßenrand hingen die bunten Drachen aus, jetzt flattern sie, manchmal in unglaublicher Entfernung, über uns.

Man kann nicht sagen, ob die Älteren oder die Jüngeren daran mehr Freude haben. Überall zwischen den Feldern versammeln sich kleine Gruppen, die in den Himmel starren. Kinder rennen über das Feld und ziehen den Drachen hinter sich her, bis er endlich nach oben steigt. Drei Jungs sind über ihre Drachen gelehnt und versuchen die Schnur wieder richtig anzubringen. Ein Mann zieht immer wieder mit kurzen, heftigen Bewegungen an der Schnur seines Drachens und befördert ihn somit ganz gemächlich weiter in den Himmel. Dann gibt er die Schnur seiner kleinen Tochter und begrüßt uns herzlich. Er erzählt, dass die meisten Drachen selbst gebaut sind und das heute ein guter Tag ist. Die Winde sollen die nächsten Tage noch besser werden, aber nicht so gut, wie im Mittleren Osten. Er spielt damit auf die Tradition des Drachensteigens im arabischen Raum an, aber auch in Malaysia ist das Hobby seit Generationen beliebt und gut verwurzelt. Der König der Lüfte, der sogenannte wau bulan (Monddrachen), ziert sogar einen Geldschein.

Wir genießen unser letztes Abendessen auf Langkawi im Sonnenuntergang. Mit der aufgehenden Mondsichel ertönt schon bald der Muezzin, diesmal ruft er zum Ramadan. Bis wir das nächste Mal die aufgehende Mondsichel nach dem Neumond sehen, ist im islamischen Raum Fastenzeit.

Mit der großen Autofähre verlassen wir Langkawi und erreichend das malaiische Festland in der heißen Mittagssonne. Die Ernüchterung ist groß. Alle Restaurants sind geschlossen. Wir retten uns in einen 7eleven, doch das Angebot ist nicht zu vergleichen mit den gut ausgestateten thailändischen Filialen. Am Ende werden es Tiefkühlspagetti, die wir immerhin in der Mikrowelle des Supermarktes aufwärmen können.
Wir folgen dem Küstenverlauf Richtung Süden. Überall hängen Plakaten von Leckereien, die hier in den restlichen elf Monaten des Jahres verkauft werden. Doch das Schlimmste sind die kleinen Basare, die das Essen für das allabendlich Fastenbrechen vorbereiten. Jetzt sehen wir nicht nur das Essen, sondern riechen auch noch die Köstlichkeiten. Nur probieren dürfen wir nicht…

Es ist vielleicht der Hunger in uns und auch in den anderen Menschen, der sich in einem nicht so guten Bild über die Region Kedah wiederspiegelt. Wir ernten viele grimmige Blicke von konservativ wirkenden Männern. Das Bild der Frau ist verhüllt und zurückhaltend bis teilweise nicht im Straßenbild vertreten. Nach der offenen Art des thailändischen Buddhismus fremdeln wir mit dem recht konservativ und einnehmenden Islam, den wir in diesen Tagen spüren.
Aber wie gesagt, vielleicht sind es auch nur hungrige Gemüter. Dass man da nicht immer die beste Laune versprüht, dass wissen wir am besten aus eigener Erfahrung und trotzdem können wir es vielleicht nicht nur auf den Ramadan schieben. Später erfahren wir von vielen Malaysiern, dass Kedah wirklich eine der konservativsten Regionen des Landes ist und auch sie teilweise böse angeschaut werden, wenn sie hier beispielsweise mit kurzen Hosen durch die Straßen laufen.

Unser Gemütszustand soll sich jedoch noch ein Stück verschlechtern. Denn zu hungrigen und sehr heißen Tagesstunden gesellen sich schon bald laute und schlaflose Nächte. Wir liegen bereits in unserem Zelt und haben die erste Tiefschlafphase erreicht, da werden die Scheinwerfer des ansonsten leeren Campingplatzes angeschaltet. Eine Gruppe, natürlich ausschließlich Männer, machen es sich an einem Tisch bequem und die Nacht zum Tag. Frei nach dem Motto, wenn wir tagsüber nicht dürfen, dann leben wir eben nach Sonnenuntergang. Es dauerte einige Stunden, bis das schmatzende und grölende Gelage verstummt.
In einer anderen Nacht ist unser Zelt nicht unweit von einer Moschee entfernt. Der Sonnenuntergang wird schon in der Dämmerung mit Feuerwerkskörpern angepriesen. Als die Sonne dann im Dunkel versinkt, gesellen sich laute und anhaltende Trommelrhythmen hinzu, die lediglich durch den Gesang des Muezzins übertüncht werden. Dieses schräge Orchester begleitet uns durch unsere Ohropax hindurch bis tief in die Nacht.

Entsprechend erschöpft und unmotiviert radeln wir die Küste entlang in eine mögliche Sackgasse. Denn da wo der Sungai Merbok ins Meer mündet gibt es zwar einen Hafen und auch ab und an eine Fähre, doch von Regelmäßigkeit geschweige denn von einem Fahrplan kann man keinesfalls sprechen. Wir erfahren von anderen Reisenden aus der Radcommunity auch genau das. Manche schaffen es auf die andere Seite, andere haben kein Glück. Bekommen wir kein Boot, bedeutet das für uns gute 20 Kilometer extra auf der großen Hauptstraße.

Als wir den Pier erreichen sind die anzutreffenden Menschen überschaubar. Wir fragen uns durch, ob jemand weiß, wann eine Fähre fährt. Die Antworten sind, gelinde gesagt, weit gefächert. Von „In ca. einer Stunde!“ bis „Hier fährt heute nichts!“ ist alles dabei. Was bringt uns das? Genau, noch mehr erschöpfende Planlosigkeit.
Dann kommt eine Frau auf uns zu und fragt, ob sie übersetzen kann. Wir erzählen ihr unser Problem.  Daraufhin sagt sie, dass sie einen Ausflug mit dem Boot auf eine Insel machen wollen. Vielleicht haben wir da auch noch Platz und sie können uns auf die andere Seit bringen. Sie muss aber ihren Freund fragen und natürlich den Bootsmann. Wenig später verabschiedet sie sich und verschwindet in einem dicken SUV. Sie wirft uns noch ein paar Worte zu, dass sie bald wiederkommen und wir dann alles klären.
Also warten und warten wir. Die Sonne steigt weiter empor und bringt uns in eine Zwangslage, denn sollte es nichts werden, haben wir ja noch eine dicke Strecke vor uns.
Mittlerweile sind wir die einzigen am Pier und fragen uns, ob hier wirklich noch jemand kommt. Irgendwann entscheiden wir einfach los zu radeln, aber nicht bevor wir unsere Kette etwas frisches Öl schenken. Vielleicht sind es diese Minuten, die uns einige Strapazen ersparen, denn auf einmal rollt der vollbeladene SUV wieder am Parkplatz ein und es kommt auch tatsächlich ein Boot angerattert. Wir sind sprachlos und überglücklich!

Manchmal sind es diese Momente, die einer Stimmung wieder neue Hoffnung geben. Am Abend erreichen wir George Town auf der Insel Penang. Hier ist zwar immer noch Ramadan, aber von konservativen, religiösen Einflüssen ist in der multiethnischen, kosmopolitischen Stadt nicht mehr viel zu spüren. Wir atmen auf und genießen den Abend während uns endlich mal wieder ein liberalerer Wind um die Nase weht.

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Moin, liebe Radler!
    Das sind wieder tolle Fotos aus einer mur unbekannten Welt! Die Islamisierung könnte man schon mit Sorge betrachten (nicht nur in Garden). Wie schön, dass darauf auch andere Momente folgen und alles zurecht rücken….
    Aus den Urlaub auf Nordstrand grußen euch Renate und Karen 🏝️🏝️🏖️🏖️