Zurück in Việt Nam werden wir von wunderschönen Karstlandschaften und beeindruckenden Höhlensystemen empfangen, bevor wir das Südchinesischen Meer erreichen. Auf dem Weg gen Süden kommen wir neben der Meeresluft auch in den Genuss der zentralvietnamesischen Küche und der hiesigen Strandkultur.

 

Viel Spaß beim Lesen!

Die Straße zur laotisch- vietnamesischen Grenze teilen wir uns mit unzähligen LKW. Sie arbeiten sich, ähnlich wie wir, schleichend den Berg nach oben. Die Straße ist eine vielbefahrene Verbindungsroute zwischen Thailand und Việt Nam.
Es umgibt uns eine grüne Dschungelkulisse, über der die Pflanzen und Bäume zu dampfen scheinen. Unter uns eine Straße, die durch den Regen von einer schlammigen Schicht bedeckt ist. Wir überqueren den Đèo Mụ Giạ, den Pass, welcher Laos und Việt Nam verbindet und schon zu Zeiten des Krieges eine wichtige Route darstellte, um Waren und Nachschub von Nord nach Süd zu transportieren. Der sogenannte Ho Chi Minh Pfad, verdankt seinem Namen Onkel Ho (der nach Erleuchtung strebt), wie ihn die Vietnames*innen nennen. Ho Chi Minh gilt als Führer der Unabhängigkeitsbewegung und erster Präsident der Demokratischen Republik Vietnam (DRV). Im Vietnamkrieg avancierte er zur Symbolfigur für den antiimperialistischen Kampf. Seinen Traum eines vereinigten Vietnams erlebte er selbst aber nicht mehr. Doch als Ikone des souveränen Vietnam ist er auch heute noch überall im Land präsent, egal ob in Form von Bildern an öffentlichen Gebäuden oder Statuen.

Nachdem wir eigentlich schon weiterfahren sollen, nimmt einer der vietnamesischen Grenzbeamten die Sache heute doch noch ganz genau und möchte das Gepäck unbedingt scannen. Also laden wir es ab, hieven alles zur Kontrolle ins Gebäude und anschließend beladen wir die Räder wieder neu. Nervig, aber was solls.
Nun sind wir also wieder in Việt Nam. Zur Feier der erfolgreichen Grenzüberquerung kommt die Sonne hinter den Wolken hervor und ziemlich bald entdecken wir einen gut besuchten Imbiss, wo die Bestellung auf Anhieb klappt und wir auch noch satt werden. Wir können unser Glück kaum fassen.

Xin chào Việt Nam

Mit der neu gewonnenen Euphorie nehmen wir uns vor, der vietnamesischen Sprache diese Mal etwas näher zu kommen. Doch die Motivation lässt schnell wieder nach. Schon allein die Eingabe der Wörter in den Übersetzer nimmt enorm viel Zeit ein, da die Buchstaben sich oft nur durch einen winzigen Strich oder Punkt unterscheiden.
Um einen Eindruck davon zu bekommen, hier beispielsweise mal die verschiedenen Varianten vom Buchsstaben A:

Mit der Aussprache der Wörter verhält es sich ähnlich komplex. Sie klingen in unseren Ohren nicht wie das Geschriebene. Oft werden auch wir nicht verstanden. Die Verständigungsschwierigkeiten führen bereits am ersten Abend wieder dazu, dass eine Nudelsuppe mit Tonnen Fleisch und irgendeinem Blutpuddinginhalt vor uns steht. Durch die geringen Erfolgserlebnisse greifen wir dann der Einfachheit halber wieder auf Hände, Füße, Lächeln und googli zurück, denn mit Englisch kommen wir auch in Zentralvietnam nicht weit.

Wir radeln auf dem Ho Chih Minh Pfad gen Osten. Die Straße mit dem „großen“ Namen ist zu unserer Überraschung eine angenehme, ruhige und gut ausgebaute Straße durch kleine Ortschaften und die traumhafte Karstlandschaft. Den starken LKW-Verkehr aus Laos haben wir an der letzten großen Kreuzung hinter uns gelassen.
Trotzdem genießen wir es, diese Straße ab und an verlassen zu können und für ein paar Kilometer über kleine Feldwege entlang eines kleinen Baches zu radeln.

Unser heutiges Domizil ist das Nhà Nghỉ Anh Linh, das Gästehaus von Tante Linh. Freundlich werden wir von ihrem Mann begrüßt und direkt zum Teetrinken eingeladen. Die Teekultur gehört in Vietnam einfach dazu. Ob in kleinen Suppenküchen oder in feinen Cafés, das Glas Tee kommt so gut wie immer kostenlos zur Bestellung dazu.
Die Familie bietet auch Abendessen an. Das Schöne daran ist, dass wir dabei alle zusammen am Tisch in ihrer Küche sitzen und uns durch die verschiedenen Töpfe probieren können. Neben Wachteleiern und Schweinespeck steht da auch ein Teller mit marinierten Maden. Nun ja, was jetzt vielleicht abschreckend klingt, ist einfach nur köstlich. Dazu gibt’s selbstverständlich gekochten Reis und Klebereis, den wir bereits aus Laos kennen.

Nach dem Essen sitzen wir wieder draußen vor dem Haus unter einem Wellblechdach im typisch vietnamesischen Hallenstiel. Egal ob Wohnhaus, Einkaufsladen oder Restaurant, oft erinnert die jeweilige Architektur mehr an eine große Lagerhalle.
Neben uns sind auch noch alte Bekannte der Familie hier. Gemeinsam trinken wir einen Tee nach dem anderen. Die Stimmung ist heiter und lustig. Wir unterhalten uns sehr gut per Übersetzter und erfahren beispielsweise, dass in Vietnam nur zwei Kinder pro Familie erlaubt sind. Dies war uns bisher noch nicht bewusst und wir dachten, dass die x-Kind-Politik ausschließlich in China vorherrscht.
Neben frischen Mangos gibt es auch noch Drachenfrüchte und eine Jackfruit als Dessert. Schon oft haben wir die größte und schwerste Baumfrucht der Welt an den Bäumen hängen sehen, die bis zu 40 kg schwer werden kann. Heute kommen wir nun endlich in den Genuss, die kolossale Frucht zu probieren. Wir bestaunen gespannt, wie die große Tropenfrucht vorbereitet wird. Nachdem sie in zwei Hälften geteilt wurde, werden die unzähligen Kerne entfernt. Der süße Geschmack der herausgelösten Fruchtfleischtaschen versetzt uns direkt in Urlaubsstimmung.

Nach einem ausgelassenen und lustigen Abend kippt die Stimmung dann ziemlich schnell. Zurück in unserem Zimmer bemerken wir nämlich, dass wir schon wieder etwas in der letzten Unterkunft vergessen haben. Diesmal unsere Ohropax. Für den einen oder die andere mag das jetzt vielleicht banal klingen, allerdings haben sich die kleinen Dinger spätestens seit Indien zu einem der nützlichsten Dinge unsere Reiseausrüstung entwickelt. Darüber hinaus stehen die Chancen hier sehr schlecht an so etwas zu kommen.
Es ist 22 Uhr, die Familie von gestern spricht kein Englisch, der Tag ist fast um und vermutlich ist die kleine Box längst im Müll gelandet. Über unsere netten Gastgeber rufen wir die etwas mürrische Frau von gestern an, allerdings sind neue Gäste in dem Raum von gestern, die sie logischerweise jetzt nicht mehr stören will. Sie verspricht uns morgen Bescheid zu geben, nachdem die Gäste ausgecheckt haben.
Das Problem an der Sache ist, dass wir morgen eine Bergetappe und 60 km vor uns haben und eigentlich zeitig starten wollen. Mit der Abholung der Ohropax kämen insgesamt 40 km dazu. Nicht die besten Aussichten. Wir überlegen hin und her, können aber sowieso nichts daran ändern und müssen auf einen zeitigen Anruf hoffen. Irgendwann schlafen wir trotz der lauten Ventilatorgeräusche ein und ergattern zumindest noch etwas kostbaren Schlaf.

Am Morgen will Bim ohne Gepäck zurückradeln. Die Familie schlägt uns stattdessen vor, dass wir auf den Anruf warten und sie uns dann mit dem Motorrad hinbringen können. Gesagt getan. Als der Anruf dann endlich kommt, die nächste Enttäuschung: die Frau kann die Ohropax nicht finden. Wir fragen uns, ob sie wohl auch richtig gesucht hat und ärgern uns, dass wir nicht einfach heute Morgen hingefahren sind. Es ist ja immer anders, wenn man direkt vor der Tür steht.

Wir radeln weiterhin durch eine leuchtend grüne Landschaft. Die Karstberge kommen schon bald wieder näher und lenken uns von unserem Ärger über unsere eigene Dummheit und die bevorstehenden Nächte ohne Ohropax und damit vermutlich auch ohne Schlaf ab.

In der Region um den Phong Nha Ke Bang Nationalpark, der Teil einer der größten und ältesten Karstlandschaften Südostasiens ist, ist nicht nur das Aussehen der bewaldeten Berglandschaft ein Genuss. Die Karstberge beherbergen außerdem ausgedehnte Höhlensysteme, Grotten und unterirdische Flussläufe. Nicht alle sind zugänglich, manche noch nicht einmal erforscht. Wir finden fernab des touristischen Zentrums von Phong Nha einen gemütlichen Bungalow.

Nach unserer Ankunft haben wir tatsächlich eine SMS von der Frau mit den verlorenen Ohropax auf dem Handy. Sie wurden nun doch gefunden. Unser neuer Gastgeber bekommt die Ohropax- Geschichte nun auch von uns erzählt und übersetzt während des Anrufs, dass ihre Mutter sie am Morgen bei der Reinigung in den Müll geworfen hat. Mittlerweile sind wir allerdings gute 100 km entfernt. Doch Dank eines glücklichen Zufalls fährt die Frau morgen tatsächlich nach Phon Nha und bringt sie uns mit. Unser Schlaf ist gerettet!

Wir erkunden das Gebiet ohne Gepäck per Rad, Roller und zu Fuß. Aber vor allem finden wir auch endlich mal wieder Zeit und Ruhe, um uns etwas zu entspannen. Bei Coconut Coffee beobachten wir die unzähligen Boote, die die Tourist*innen im Minutentakt zur berühmtesten Höhle schippern, der Phong Nha Höhle. Grund genug für uns, die Höhle nur von außen zu bestaunen. Wir genießen die Wanderung im botanischen Garten, wo fast niemand ist, dafür umso mehr.
Später besuchen wir die Động Thiên Đường, die zu den größten Höhlensystemen Vietnams zählt. Auch wenn wir vorher Bedenken haben, ob es sich der Eintritt nach unserer imposanten Durchfahrt der Konglor Cave in Laos wirklich für uns lohnt. Die Paradieshöhle wird zu einem völlig anderen Erlebnis und entfaltet ihre ganz eigene, imposante Pracht.

Nach einem letzten Mal ausschlafen geht es für uns in der prallen Sonne weiter. Die Landschaft um uns herum wird immer flacher. Wir erblicken immer mehr Reisfelder und jede Menge Wasserbüffel, die genüsslich im Schlamm liegen, um sich abzukühlen. Eine typische Szenerie in Südostasien. Komplementiert wird das Ganze durch die feuchtwarme Luft mit Reisduft, die uns wie bei einem Heißluftföhn entgegenströmt.
Der Schweiß läuft am ganzen Körper in kleinen Rinnsalen hinab. Die phở zum Mittag verstärkt das Schwitzen nur noch. Mittlerweile haben wir uns fast daran gewöhnt und es gehört zu unserem Alltag dazu. Wir können es sowieso nicht ändern.

Am Nachmittag ist es dann so weit, die Reisfelder werden von Sandbergen abgelöst. Am Horizont erscheint das Südchinesische Meer vor uns. Damit sind wir seit dem Schwarzen Meer in Georgien und damit über einem Jahr endlich wieder mit unseren Rädern da, wo wir hingehören.
Der Blick aufs Meer ist einfach unbezahlbar. Sofort breitet sich eine gewisse Entspannung in uns aus, wir fühlen uns leichter. Sind fast ein bisschen froh darüber, dass wir keine Wellen sehen, denn so ganz ohne Surfbretter wäre das wohl eine ziemliche Geduldsprobe für uns beide geworden.
Wir genießen die Meeresluft, während wir zwischen großen Dünen und der ein oder anderen Fischfarm ab jetzt gen Süden radeln. Ein besonders schöner Anblick sind die vielen, bunten vietnamesischen Boote, die an der Küste vor Anker liegen.

Zum Abend hin wird der Strand immer voller und voller. Auch die Vietnames*innen genießen den Abend am Meer gemeinsam mit der Familie beim Grillen oder Plantschen. Die Restaurants warten mit bereits eingedeckten Tischen im Plastikstyle auf ihre Gäste.

Unser erstes Ziel am Meer ist die Stadt Đồng Hới. Wir kommen in einem gemütlichen Homestay unter und lassen uns einfach treiben. Hier dreht sich alles um Fischerei, was nicht nur an den unzähligen Fischerbooten, sondern auch an den vielen Fischrestaurant und dem Angebot auf dem Markt zu erkennen ist.
Wir bestaunen die großen Fischnetze, die auf Stelzen in der Flussmündung aufgebaut sind. Eine Frau schippert in einem kleinen Bambusboot zu einem davon, begutachtet den Fang und holt die großen Fische aus dem Netz, welches mittig im aufgebockten Zustand trichterförmig zusammenläuft. Anschließend löst sie die Leine, die Netze senken sich wieder ab und sie rudert zurück, zu ihrer kleinen Holzhütte auf Stelzen. Als sie uns entdeckt und bemerkt, dass wir sie beobachten, wirft sie uns ein herzliches Lächeln entgegen und winkt uns ganz enthusiastisch zu.

Als wir am nächsten Morgen zum Strand radeln, sind wir ganz froh, dass wir uns gestern lieber am Wasser innerhalb der Stadt aufgehalten haben. Ein völlig zugepflasterter Strand, wo gerade noch jede Menge neue, riesige Hotels entstehen, liegt vor uns. Der Weg am Strand, den wir danach einschlagen, ist zum Glück das komplette Gegenteil.
Wir radeln durch einen wunderschönen Wald auf einer Piste entlang bis wir wieder auf eine gemütliche Asphaltstraße treffen. Unangenehm werden nur die wenigen Kilometer auf der Hauptstraße gen Süden in der Mittagshitze, aber es fehlen einfach die Alternativen. Wir versuchen es so schnell wie möglich hinter uns zu bringen und sind froh, als wir wieder auf eine kleine Straße abbiegen können, die uns mit ganz viel Grün zurück zum Meer führt. Hier liegen jede Menge unterschiedliche Dinge am Rand der Straße auf Planen zum Trocknen. Bisher haben wir in Vietnam vor allem Reis und Mais auf diese Weise zur Trocknung liegen sehen. Es scheint, als wechseln sich die Naturalien alle paar Kilometer ab.   

Am Abend finden wir ein gemütliches Plätzchen auf einer Klippe direkt am Meer. Der Besitzer erlaubt uns hier kostenlos zu schlafen. Gegenüber der Straße befindet sich sein Homestay und Restaurant, was heute aber voll ist. Wir freuen uns über das Angebot, springen ins Meer und kochen abends endlich mal wieder gemütlich selbst. In der bisherigen Zeit in Südostasien haben wir unsere Küche so wenig benutzt, wie noch nie zuvor. Eigentlich lieben wir ja kochen, aber es ist hier gerade einfach zu heiß und das Essen sehr günstig, sodass wir weder die Energie haben noch die Lust oder Notwendigkeit verspüren, selbst zu kochen.
Der Himmel verspricht eine trockene Nacht, wir können also unter unserem Moskitonetz schlummern. Dachten wir zumindest, denn an Schlaf ist erstmal nicht zu denken. Nach dem Essen und dem Sonnenuntergang geht die Party bei den Gästen erst richtig los. Neben lauten Bässen schallen Karaoke Gesänge von „richtig gut“ über „ganz akzeptabel anzuhören“ bis hin zu „grottenschlecht“ in ohrenbetäubender Lautstärke zu uns herüber. Die Situation ist so skurril, dass wir einfach nur noch lachen müssen. Mit dem Wissen, dass die vietnamesischen Karaoke-Partys bisher immer spätestens um Mitternacht beendet waren, lässt sich vieles leichter ertragen. Auch diesmal ist es nicht anders. Nachdem der DJ nochmal richtig aufdreht, ist die Party zu Ende und es kann eingeschlafen werden.

Ja, die Karaoke-Kultur in Việt Nam ist schon etwas ganz Besonderes und umso länger wir darüber nachdenken, desto schöner erscheint sie uns. Das Wort Karaoke bedeutet so viel wie „leeres Orchester“ und stammt, wie die weltweit bekannte Freizeitbeschäftigung selbst, ursprünglich aus Japan.

Nun ist es auf der einen Seite recht nervig, wenn man, egal wohin man kommt, eine geballte Ladung schiefer Töne und lauter Bässe um die Ohren bekommt. Die Natur kann man so jedenfalls recht schwer genießen und eben auch nicht so wirklich zur Ruhe kommen. Auf der anderen Seite versprühen die Menschen aber eben auch eine ordentliche Portion gute Laune. Es ist ihnen schlicht egal, ob sie schief singen oder nicht und es stört scheinbar auch niemanden. Es wirkt, als werden sie nicht danach bewertet, wie sie singen, es geht einfach nur darum, ein paar Lieder zu trällern und Spaß dabei zu haben.

Sehr im Gedächtnis bleiben wird uns ein älterer Mann, der am Abend auf seiner Terrasse, neben unserem Gästehaus, ganz allein Karaoke gesungen hat. Natürlich waren die ausgesprochen guten Boxen bis zum Anschlag aufgedreht. Zwischen den Liedern schlürft er genüsslich einen Tee, bevor er auch mit der körperlichen Choreografie fortfährt. Im Schneidersitz sitzend, das Mikrophon in der einen Hand, die andere in den Himmel gestreckt, als ob er nach den Sternen greift und diese zu seinem Herzen zieht. Es versprüht einfach so viel gute Laune und nochmal, er sitzt da ganz allein auf seiner Terrasse. Ist doch tausendmal schöner als vor der Glotze zu hängen.

Auf dem Weg gen Süden überqueren wir den 17. Breitengrad. Der bedeutende Breitengrad, der einst Vietnam in Nord und Süd trennte, der einst ein Land teilte, der einst eine Bevölkerung in zwei Systeme zwang, der einst Bürger*innen, Nachbar*innen, Freund*innen und wohl auch Familienangehörige gegeneinander kämpfen ließ. Es ist ein komisches Gefühl über eine so bedeutende, nun glücklicherweise, unsichtbare Grenze zu fahren, über eine Brücke, die nun wieder ein Land verbindet.

Wir sind auf dem Weg in die ehemalige Königsstadt Huế. Der Weg dorthin ist gesäumt von unzähligen Gräbern, zig Kilometer einfach nur Gräber oder Gruften. Die farbenfrohen und reich verzierten Denkmäler säumen das ganze Land zwischen Meer und Lagune. Teilweise reichen sie bis in die Ortschaften hinein, wobei die wenigen Häuser zwischen den Gräbern fast nicht mehr auffallen. Es gibt kleine und große, alte und neue. Wir sehen Baustellen, die davon zeugen, dass diese Kultur nicht nur aus der königlichen Vergangenheit rührt, sondern bis in die Moderne getragen wird.
Neben den Gräbern ist das Bild der sandigen Landzunge aber auch durch unzählige Fischfarmen geprägt. Der Weg ist angenehm, wir holpern über Betonplatten durch einen Pinienwald und ab und an erhaschen wir einen Blick auf das Südchinesische Meer.

In Richtung Huế wird es dann immer grüner. Wir lassen die Küste hinter uns, überqueren die Wasserstraße, die die Lagune mit dem offenen Meer verbindet. Auch weiterhin umgibt uns sehr viel Wasser. Es gibt wieder mehr Reisfelder, kleine Kanäle mit unzähligen, blühenden Seerosen und kleinen Booten. Das Radeln dazwischen macht einen riesigen Spaß, da die kleinen Wege fast angelegten Radwegen gleichen. Es wir urbaner und trubeliger, der Verkehr wird dichter, immer mehr Menschen schwirren umher und dann sind wir auch schon im Zentrum, umgeben von unzähligen Mopeds.

Wir kommen in einem Homestay fernab der touristischen Innenstadt unter. Die Mutter unserer Gastfamilie empfängt uns herzlich. Als Reiseleiterin spricht sie nicht nur gutes Französisch, sondern auch fließend Englisch.
Wir warten die Mittagshitze ab und lassen uns im Anschluss durch die Gassen treiben. Wir entscheiden uns gegen die Besichtigung der riesigen Königspaläste und genießen lieber die königliche Küche. Zum ersten Mal schlemmen wir so richtig in Südostasien und der Genuss siegt über die kulinarischen Enttäuschungen der letzten Wochen.

Mittlerweile sind wir ganz gut darin, Dinge, die man sich vermeintlich anschauen sollte, einfach wegzulassen. Bei einer Langzeitreise prasseln so viele Eindrücke auf einen ein, dass man nicht jedes noch so bekannte Touriziel mitnehmen muss. Für uns haben die menschlichen und kulturellen Begegnungen und das Aufsagen der Atmosphäre eines Ortes sowieso einen viel größeren Mehrwert.

Nach den Tagen in Huế rollen wir zurück ans Meer und freuen uns, eine Art Campingplatz zu finden. Es ist ein malerisches Stück an der Küste. Weißer Sandstrand, türkisblaues Wasser, welches in unterschiedlichen Farbnuancen schimmert. Wir sitzen im Schatten unter Pinien und Kokospalmen, auf der Gegenseite der Flussmündung eine leichte Klippe mit Regenwald.

Nachdem wir dieses traumhafte Bild vermittelt haben, kommen wir jetzt zur Realität. Um an das Wasser zu gelangen, benötigt man im besten Fall Flipp Flops, ansonsten würde der heiße Sand uns wohl die Füße verbrennen und auch in dem sehr warmen und flachen Wasser findet man keine Abkühlung, eher eine riesige Badewanne. Kein Wunder also, dass der Strand so menschenleer ist. Auch in unseren Hängematten im Schatten liegend, sehnen wir jeden Windhauch herbei.
Es ist gerade vietnamesische Sommerurlaubszeit und das spüren wir auch hier. Der Strand ist zwar leer, aber das Restaurant dafür umso gefüllter. Was wiederum bedeutet, dass hier ein Karaoke-Auftritt auf den nächsten folgt und falls es mal keine/r ans Mikrofon schafft, dann gibt es ja mindestens noch einen DJ, der für laute Musik sorgt.
Wir dösen in den Hängematten und versuchen keine Kopfschmerzen von den ständigen Bässen zu bekommen. Dann trifft ein weiterer Minivan ein. Es steigen sechs oder sieben ältere Frauen aus. Sie kommen auf uns zu, schleichen um uns herum, die eine links, die andere rechts und eine genau zwischen den Hängematten hindurch. Sie schauen uns erstmal grimmig an. Vielleicht haben wir es uns auf ihrem Stammplatz gemütlich gemacht? Der Blick wandelt sich jedoch schnell in ein Lächeln als wir sie mit einem lächelnden xin chào begrüßen. Sie ziehen weiter. Das Lustigste daran ist, dass die letzte Frau eine große Boombox mit Mikrofon trägt und wir die kleine Reisgruppe ein paar Minuten später auch schon in Aktion hören.
Dass wir uns in diesem Paradis nicht in Ruhe sehnen können, haben wir ja bereits geahnt und wir nehmen es auch einfach so hin. Als dann aber am Abend der gesamte Müll in einem Graben neben dem Restaurant und damit neben uns verbrannt wird und die Rauchwolken direkt auf uns zu ziehen, haben wir einfach die Nase voll. Wir packen schweren Herzens nach dem Kochen zusammen und fahren ins nächste Gästehaus.

Vor uns liegt der Đèo Hải Vân, der sogenannte Wolkenpass. Die hohen Berge reichen hier bis ans Meer heran. Eine wunderschöne Straße windet sich auf stolze 500 Meter hinauf. Wir schnaufen und schwitzen was das Zeug hält und werden immer wieder mit traumhaften Ausblicken belohnt. Von oben sehen wir die Lagune auf der einen Seite und den Golf von Đà Nẵng auf der anderen.

Wir sausen hinunter, direkt zur laotischen Botschaft, die wir kurz vor Mittag erreichen. Wir beantragen das nächste Visum, gönnen uns einen Coconut Coffee und holen am frühen Nachmittag die Visa ab. Wie schon in Hanoi, unkompliziert und schnell.

In Đà Nẵng werden wir ein paar Tage in einem Apartment unterkommen. Wir genießen es eine Küche zu haben, jeden Morgen und Abend ins Meer zu springen. Wir genießen es auf dem lokalen Markt all die leckeren Tropenfrüchte zu kaufen und eine Küche zu haben, in der wir so viele andere leckere Sachen zubereiten können. Wir genießen es, für ein paar Tage ein zu Hause zu haben.
Aber auch hier kommen wir nur so halb zum Entspannen. Wir habe jede Menge Dinge zu klären und zu organisieren. Müssen beispielsweise weitere Visa beantragen, eine grobe, machbare Route herausfinden und einen sicheren Weg finden, wie ein paar Sachen aus Deutschland zu uns gelangen können. Wir können es nur wiederholen, wir hätten nie gedacht, dass wir auf so einer Reise so arg viel planen müssen. Außerdem versuchen wir unsere kaputten Taschen zu kleben und unsere Räder wieder halbwegs auf Trapp zu bekommen.

Am letzten Morgen, als wir uns nur kurz vom Meer verabschieden möchten, können wir unseren Augen kaum trauen. Es läuft eine saubere Welle, die auch noch von einem Wellenreiter genussvoll abgefahren wird! Das Frühstück muss dann wohl warten. Hektisch radeln wir zu unserem Apartment, bitten um ein späteres Check-Out, rasen zum Surfverleih und schwingen uns mit irgendeinem Brett ins Wasser. Was für ein wunderbares Gefühl endlich wieder in den Wellen zu sein!

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Moin! Ich kann mich noch erinnern, dass politische Gruppen auch in Kiel „Ho, Ho, Ho Chi Minh!“ skandierten. Da müssen sich in Vietnam unfassbare Dinge/Grausamkeiten abgespielt haben. Die Kriegsfilme gucke ich mir nicht an. Die USA scheint immer noch etwas traumatisiert zu sein vom Vietnamkrieg…. Schön, dass es euch besser geht und ihr euch erholen könnt.bUnd das Essen wieder regelmäßig verfügbar ist und gut schmeckt! Schließlich seid ihr dort Touristen und keine Schwerstarbeiter….
    Hier ist auch was los: die 1
    AugenOP wegen des Grauen Stars habe ich seit 1Woche hinter mir, in 1Woche erfolgt die 2. OP. Wird wohl ganz gut, jetzt sehe ich erst mal, wo ich mal putzen muss…. Gestern die Amtsärztin habe ich auch gut überstanden, das Gutachten über meine Dienstfähigkeit kann ich im Schulamt einsehen. Morgen siedeln Schrödi und ich zu Susanne über, die Freitag in den Urlaub fährt … Ich will unsere Kaffeeklatsch-Whatsapp mal wieder aktivieren, wenn ich das kann…
    Genießt den Kokoskaffee und schont euch! Alles Gute wünschen euch Renate und Karen ⛵⛵⛱️🚤