Das ist der zweite Teil unseres Abenteuers im Mekongdelta. Falls du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, findest du ihn hier@

Viel Spaß beim Lesen!

Wir wachen in einem kleinen Gartenparadies mit eigener, uriger Bücherei auf. Ein großartiges Plätzchen. Da schmeckt unser morgendlicher Kaffee gleich doppelt so gut. Eines unserer wichtigsten Luxusgüter, unsere Mokkakanne, hat in Ho Chi Minh leider den Geist aufgegeben. Zum Glück lieben die Vietnames*innen Kaffee genau so sehr, wie wir und es war einfach an Ersatz zu kommen. Das morgendliche Kaffeeritual muss einfach sein und begleitet uns nun wirklich schon die ganze Reise

Schon bald steigt uns allerdings der altbekannte Geruch von verbranntem Müll in die Nase sowie Qualm in die Augen und zwingt uns zur Flucht. Wir schlängeln uns über all die kleinen Straßen und Wege zwischen den Feldern, nahezu überall umgeben von Wasser. Aus unserem Weg nach Cần Thơ verlassen wir die volle Hauptstraße schnell wieder und biegen abermals auf eine kleine Straße an einem Flussarm entlang an.
Überall gemütlich angelegte Gärten sowie Bäume, Blumen und Früchte in Hülle und Fülle. Nahezu jedes Grundstück hat seinen eigenen Steg. Die Hängematten baumeln entspannt im Schatten am Fluss. Manche Häuser stehen auch direkt am Fluss und sind durch ein Dach mit dem anderen Teil des Hauses neben der Straße, auf der wir radeln, verbunden. Darunter kleine Läden, Märkte, Fischereien, Friseure oder einfach der Innenhof der Familie.

Kurz vor der größten Stadt des Deltas, Can Tho, erblicken wir eine majestätische Brücke, die in diesen flachen Gefilden schon fast als Berg durchgehen kann. Mit unzähligen Mopeds bahnen wir uns den Weg in die bebende Stadt.
Der Nachtmarkt schillert in allen Farben. Wir lassen uns treiben und probieren uns durch die Straßenstände. Dann geht es für uns auch schon ins Bett, denn der Wecker klingelt bereits um 04:45 Uhr. Der Couchsurfer, bei dem wir hier eigentlich unterkommen wollten, der aber leider im Moment keine Zeit hat, organisiert für uns eine Tour zu den Floating Markets in Cái Răng.
Wir sind dankbar dafür, denn natürlich wollen wir die schwimmenden Märkte besuchen, wenn wir nun schonmal hier sind. Die Auswahl ist allerdings einfach viel zu groß und wir können uns ja bekanntlich nicht gut entscheiden.

Dank des uns von ihm zugesendeten Fotos finden wir die Omi am Hafen auch recht schnell. Wir steigen im Dunklen in einen der vielen Holzkutter, die hier in der welligen Dreckbrühe eng aneinandergereiht hin und herschaukeln. Gekonnt manövriert uns die 75-jährige Dame an den anderen Booten vorbei hinaus auf den Fluss. Es fühlt sich ein bisschen so an wie in einer Nussschale im tobenden Wasser zu sitzen, aber schon bald wird uns klar, dass die Omi alles unter Kontrolle hat. Das Wasser schwappt zwar scheinbar immer beinahe rein, aber eben nie wirklich. Weiter mittig rasen bereits unzählige, größere Boote voll beladen mit Tourist*innen an uns vorbei.

An Rasen ist bei uns zum Glück nicht zu denken, denn das würde der Motor auch gar nicht hergeben. Wir schippern erstmal gemütlich zur nächsten Wassertankstelle. Nach dem Tanken dann schon bald der nächste Stopp. Plastik hat sich im Bootspropeller verfangen. Die Omi packt die Schere aus und in gekonnter Weise wird alles von Plastik befreit. Dass die Plastiktüten danach wieder im Fluss landen, macht die Sache natürlich nicht besser…

So langsam kommt die Sonne über die Dächer geklettert und wir erreichen die schwimmenden Märkte. Kreuzen immer wieder Boote, die mit allen möglichen Dingen beladen sind. Dazwischen werden die vollbeladenen Touriboote and den schwimmenden Restaurants ausgekippt. Wir schippern einfach nur durch das Spektakel hindurch und lassen es auf uns wirken. Wir fragen uns, wie viel hier in Cai Rang tatsächlich noch im Sinne eines schwimmenden Marktes verkauft wird und wie viel Inszenierung für den Tourismus dahintersteckt.

In der prallen Mittagssonne verlassen wir die Stadt nach der kurzen Nacht völlig übermüdet. In einem cơm Restaurant dann die nötige Stärkung. Diese kantinenartigen Etablissements haben uns schon so manche, kostengünstige Mittagspause auf Plastikstühlen in Vietnam beschert. Zusätzlich zum Reis findet man hier mal mehr und mal weniger Auswahl an Beilagen, die auf kleinen Tellern oder in Schüsselchen serviert werden. Dazu gibt’s immer eine obligatorische Brühe, allerhand Dipsaucen und kalten, erfrischenden Tee.

Frisch gestärkt biegen wir schon bald wieder auf kleine Pfade am Wasser ab. Wir entdecken das ein oder andere Boot mit unterschiedlichstem Warenangebot, von denen aus tatsächlich direkt Dinge an die Menschen, die am Wasser leben, verkauft werden. Es ist noch einmal schön, dem Leben auf dem Mekong auf diese Weise näher zu kommen und die schwimmenden Märkte fernab der Tourist*innenströme zu beobachten.

Zeltbares Gelände finden wir hier allerdings weniger. Entweder stehen die freien Flächen unter Wasser oder sie sind bebaut bzw. bepflanzt. Wir fragen bei einem Café inmitten der Reisfelder nach, wo wir zumindest etwas potenzielle Fläche für unser Zelt entdecken. Nach einer Weile Übersetzungs-Hin und Her dann die frohe Botschaft. Wir dürfen unser Zelt hier aufstellen, sobald die Gäste weg sind.
Schon bald versorgt uns Tin, der freundliche Besitzer, mit erfrischenden Getränken. Der Übersetzer spuckt Folgendes aus: „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Ihnen nichts extra berechnen. Fühlen sie sich wie zu Hause!“ Wir sind mal wieder baff, und zwar im positiven Sinne.
Doch es kommt noch besser, denn das Cafe Rom besitzt auch noch eine erfrischende Dusche und wir dürfen unser Abendessen in der hiesigen Küche zubereiten. Wir chillen frisch geduscht  in den für Vietnam typischen Hängematten des Cafés und lernen auch schon bald Dang, den anderen Besitzer, kennen. Er hat vor einigen Jahren Deutsch gelernt und versucht nun sichtlich sein Wissen wieder zu aktivieren.

Zum Glück haben wir heute etwas mehr Gemüse auf dem Markt für unser Abendessen besorgt. Als unsere „Kochshow“ beginnt, trauen sich nun auch Bao toan und seine Freundin Anh nhi sich mit uns über googli zu unterhalten. Immer wieder laufen dabei neuen Gäste an uns vorbei, die uns interessiert und belustigt bestaunen. Dann wird gemeinsam unser Curry Indian Style, gekocht von den Allmans, verspeist. Um es mit Dangs Worten zu beschreiben: „Das Essen ist verloren!“, da es für den vietnamesischen Gaumen wohl etwas zu wenig Salz enthält.
Tin rührt noch fix eine Dipsauce zusammen, ohne die es in Vietnam nun mal nicht geht und plötzlich steht auch schon der nächste Drink vor uns. Ein Saft, der nach einer tropischen Mischung aus Apfel und Birne schmeckt. Es handelt sich um die sogenannte Stachelannone (mãng cầu). Wieder eine köstliche, neue Frucht.

Nach dem Essen gehen Dang und Tin wieder ihren Aufgaben noch und wir unterhalten uns noch lange mit den beiden Jüngeren. Nach dem obligatorischen Abschiedsfoto heißt es dann Abschied nehmen. Als dann auch die letzten Gäste so langsam das Weite suchen, beginnen wir mit dem Zeltaufbau. Die Lichter werden auch noch für uns gelöscht. Nun hält uns nur noch die laute Party- bzw. Karaokebeschallung aus dem Dorf vom Einschlafen ab. Was für ein Tag!

Der letzte Tag des Jahres beginnt mit dem ekelhaftesten Frühstück unserer bisherigen Reise. Tin hat Herzporridge für uns vorbereitet. Ein traditionelles, vietnamesisches Frühstücksgericht. Porridge klingt erstmal richtig gut, aber sobald man das Fleisch darin sieht, wird es einem anders.
In solchen Situationen will man natürlich nicht unhöflich sein. Die deftige Reispampe bekommen wir zwar gerade noch runter, aber bei dem Fleisch streiken unsere Mägen. Zum Glück sitzen ein paar hungrige Hunde, um uns herum und Tin erledigt seine Aufgaben weit entfernt von uns. Selbst die Vierbeiner wollen einige der fettigen Fleischbatzen lieber nicht anrühren.

Nach dem Frühstück öffnet das Cafe Rơm, was so viel wie Stroh(ballen) bedeutet, auch schon wieder. Wir bedanken uns herzlich bei Tin und Dang für den schönen Abend und schwingen uns wieder auf die Räder.

Den diesjährigen Silvesterabend verbringen wir ganz entspannt in der Hafenstadt Rach Gia. Schon lange wollten wir den in Vietnam typischen Hotpot (lau) oder Tischgrill einmal ausprobieren. Heute ist es so weit. Der in den Tisch integrierte Grill vor uns wird mit glühender Holzkohle befüllt und schon kann die Essenszubereitung beginnen. Neujahr verschlafen wir beide wohl zum ersten Mal in unserem Leben in der Dachkammer des Nha Nghis am Leuchtturm.

Hinter der Stadt suchen wir uns schnell wieder eine Straße, die entlang der Küste verläuft. Am Horizont sieht man schon die ersten Hügel, das Delta neigt sich dem Ende. Wir rollen auf einer breiten, neuen Straße gen Westen, doch so soll es nicht bleiben. Auf den nächsten Kilometern nehmen wir so ziemlich alle Arbeitsschritte des Straßenbaus mit, von der nicht vorhandenen Straße, über lockeren, grobsteinigen Unterbau bis eben zu dieser feinen Asphaltstraße. Ab und an müssen wir die Räder durch den sandigen Grund schieben. Einmal hoffen wir, dass der Schlamm nicht zu doll in unseren Rädern hängen bleibt.

Es ist nicht mehr lange bis zur Dämmerung, als uns an einem kleinem Fischstand gesagt wird, dass wir lieber wieder umkehren sollen. Mit Pantomime deuten wir an, dass wir lieber kleine Wege fahren als die großen, woraufhin wir ein bejahendes Nicken bekommen. Also geht es eben weiter, bis zum nächsten Schleusentor, was hier so oft als Brücke zur Überquerung der vielen Kanäle dient, die ins Meer münden. Ein Mann auf dem Moped hält an und gestikuliert nun etwas heftiger, dass es hier nicht weiter geht. Wir lassen ihn in unser Smartphone sprechen und die Übersetzung ergibt irgendetwas mit Baustelle und Sand. Was sollen wir mit der Information machen?
Wir bekommen des Öfteren gesagt, dass es nicht weiter geht. Manchmal denken die Leute vielleicht wir suchen die Hauptstraße und wollen uns daher zurückleiten. Uns bleibt nichts anderes übrig, als an Intensivität von Mimik und Gestik abzulesen, ob es sich hier um eine Sackgasse oder eben nur um eine nicht so gute Straße handelt. Nunja, dieser Herr meint es auf jeden Fall ernst. Trotzdem fahren wir weiter…

Nach ca. zwei Kilometern kommen wir an das besagte Stück der Baustelle. Vor uns liegt ein ca. ein Kilometer langer Sandkasten, in den man über eine große Schlammpfütze gelangt. Wir sehen wie sich die Mopeds im Eiertanz die „Straße“ entlangmühen.
Jetzt sind wir in einer sogenannten Zwickmühle. Sollen wir durch den Sand oder gute zehn Kilometer Umweg auf uns nehmen. Wobei wir da eben zurück in das größere Dorf müssen. Die Sonne geht bald unter und wir wollten eigentlich das urbane Gebiet hinter uns lassen und irgendwo unser Zelt aufschlagen. Die Entscheidung fällt uns schwer und wir hadern mit uns, dann drehen wir um.
Als wir das Dorf wieder verlassen und den kleinen betonierten Pfad entlangrollen, geht der große Feuerball über den Reisfeldern unter. Ein wunderschönes Bild, das kurz darüber hinweghilft, dass wir noch immer keinen Schlafplatz haben.