Mit unserem Ziel Ho Chi Minh Stadt vor Augen radeln wir mehr schlecht als recht auf direktem Weg durch Kambodscha. Der Mekong begleitet uns auch hier ein ganzes Stück und hält einige Überraschungen für uns bereit.

Viel Spaß beim Lesen!

Vor uns liegt die laotisch-kambodschanische Grenze. Eine, deren Ruf ihr schon lange vorausgeeilt ist. Einen Ruf, den wir daraufhin auf alle anderen Grenzübergänge projiziert haben und so zumindest jedes Mal auf das Schlimmste vorbereitet waren.
An der Nong Nok Khiene Grenze im Süden von Laos erwischt es uns nun also auch – das schlichte Schauspiel der nervigen Korruption, vorgetragen von arroganten und miesen Beamten, die sich sichtlich wohlfühlen in ihrer machthabenden Position, die für ein paar Dollar oder eben für das Gefühl der Macht, alle Regeln mit Füßen treten.
Ja, das sei auch an dieser Stelle gesagt, in unserem Fall geht es um insgesamt fünf US-Dollar, aber irgendwie eben auch um viel mehr! Von anderen Reisenden haben wir schon ganz andere Summen gehört und es scheint als stecken am Ende alle unter einer Decke. Angefangen beim Busfahrer, der den Druck erhöht, weil er gleich weiterfährt, notfalls auch ohne die Person. Wir hören von Radler*innen, dass sie eine Mopedsteuer zahlen müssen oder die Grenze nicht mit dem Rad passieren dürfen, welches noch nicht mal einen Motor besitzt. Am Ende landete in diesem Fall das Rad in einem Bus…
Die Geschichten sind skurril und es gibt einige davon, was uns allerdings mit einer gewissen Erwartung die Grenze erreichen lässt. Besser gesagt, wir sind schon beim Ankommen am Grenzgebäude unglaublich genervt!

Wir geben die Reisepässe durch die Scheibe hindurch. Gelangweilt betrachtet der Mann den Pass. Wohl wissend, dass er gleich seine Show abziehen wird. Er fragt also schließlich nach der Stempelgebühr. Wir fragen ihn, wo dies den von offizieller Seite steht, denn wir haben die Information bekommen, dass wir nichts bezahlen müssen. Es folgen ein paar sinnlose Antworten und dann versucht er es mit einem neuen Thema. Wo denn unser Papierschnipsel sei, den wir angeblich bei der Einreise bekommen hätten. Wir sagen, dass dies nicht stimmt und wir ja nicht zum ersten Mal eine Grenze aus Laos hinaus überqueren. Ein noch unangenehmerer Mann tritt dem Geschehen bei, untersucht den zweiten Pass und faselt die gleichen Worte.
Wir erwidern, dass sie uns doch jetzt den Stempel geben sollen oder eben zeigen, wo diese angeblichen Regeln stehen mögen. Daraufhin bekommen wir nur die Antwort: „Go away! Go back to Pakse!“ Dann wirft er uns schnippig die ungestempelten Pässe entgegen und deutet in die Richtung, aus der wir gekommen sind.

Es ist also genau die Situation, die wir erwartet haben. Eine, auf die wir uns eben auch schon in gewisser Weise vorbereiteten. Wir haben zum Glück den Luxus, Zeit zu haben. Es wartet kein Bus auf uns. Wir setzen uns einfach auf die Bank und warten im Notfall bis zum Schichtwechsel. Es gibt uns die Ruhe in der Situation entspannt zu bleiben und nicht auf seine Show hineinzufallen.
Allerdings haben wir auch keine Lust noch länger als nötig hier zu sein, also wählen wir einfach auf gut Glück die Nummer der deutschen Botschaft. Natürlich machen wir das so, dass die Beamten auch sehen, was wir machen und dass wir eben nicht nur geblufft haben. Die nette Frau am anderen Ende der Leitung sagt, dass wir in zehn Minuten nochmal zurückrufen sollen, denn dann ist der zuständige Mann für den Distrikt im Büro.

Nach kurzer Zeit winkt uns der Beamte heran und sagt, er kann uns in 30 Minuten einen Stempel geben, falls wir nicht bezahlen wollen. Seine Geschichte verliert vollends an Boden und mit dem Telefonat im Rücken steigt das Selbstvertrauen nur noch mehr. Wir sagen ihm höflich, er soll uns doch zeigen, wo seine Behauptungen stehen und dass wir einfach warten, bis unsere Botschaft sich um das Problem kümmert oder uns die Behauptung bestätigt. Er wirkt sichtlich unsicher, seine Maske ist komplett gefallen und wir gehen zurück auf unsere Bank.
Fünf Minuten später ist von dem Mann keine Spur mehr. Der andere, der ebenfalls vorhin schon da war, ruft uns heran, gibt uns mit grimmiger Miene die Stempel und faucht uns an, wir sollen verschwinden. Wir bedanken uns überschwänglich und verlassen den korrupten Haufen am südlichen Ende von Laos.

Auf kambodschanischer Seite das gleiche Schauspiel nur mit mehr Stil und Höflichkeit. Wir bekommen eine Geschichte aufgetischt, warum wir denn jetzt unsere bereits bezahlten Visa noch mit einer weiteren Servicegebühr validieren müssen. Wir tischen ihm eine genauso erfundene Geschichte auf, dass wir diese imaginäre Gebühr doch bereits bezahlt hätten, blablabla… In freundlicher Manier akzeptiert er es. Vielleicht liegt es an unserem Auftreten oder ihm kommt seine Geschichte nun selbst lächerlich vor.

Es dauert ein paar Kilometer, diese nervige Stunde abzuschütteln. Doch mit jedem Kilometer kommen wir ein Stück mehr in Kambodscha an, bei den Khmer. Es wird nur eine kurze Etappe, am Ende werden wir nur eine Woche durch Kambodscha radeln und sind von Anfang an nicht wirklich bereit, uns auf das einzulassen, was uns hier erwarten könnte. Wir wollen einfach nur schnell die Strecke hinter uns bringen und in Ho Chi Minh City ankommen.

Wobei schnell in diesem Fall auch eher die falsche Formulierung ist. Nach dem uns die großen Ritzel in den Bergen verlassen haben, verabschiedet sich nun das mittlere und große Kettenblatt. Was da noch übrig bleibt, lässt wohl jede/n Fahrradtechniker/in die Augen verschließen wollen. Es ist eine denkbar ungünstige Übersetzung.

Für uns bedeutet das, dass wir auf den vor uns liegenden knapp 500 Kilometern mit einer hohen Frequenz in die Pedalen treten müssen. Zum ersten Mal haben wir eine längere, flache Strecke vor uns und wir quälen uns in den unteren Gängen durch dieses Gelände. Diese Etappe wird wohl eher von mentaler als von körperlicher Anstrengung geprägt sein.

Als wir die letzte Bergetappe erreichten, fühlten wir uns so gut. Es schien, als schaffen wir es bis Ho Chi Minh City, als ob die Räder durchhalten könnten, obwohl sie schon längst über ihrer Zeit waren. Doch neben dem maroden Getriebe, ereilte uns vor der kambodschanischen Grenze noch ein weiterer Aufreger. Die Felge eines Hinterrades löst sich auf. Ein Riss in Umfangrichtung, einmal herum. Wir mussten die Metallfaser schließlich abziehen. Die Felge ist durchgebremst!
Wir entscheiden weiter zu fahren. Das Rad wirkt stabil und es hat keine Anzeichen von einer Acht. Also fahren wir vorsichtig und beobachten das Geschehen, aber eigentlich hoffen wir insgeheim einfach nur, dass es hält!

Da wir „schnell“ durch Kambodscha wollen, wählen wir lange Etappen, bzw. da wir nicht zelten, sind die langen Etappen auch durch die Infrastruktur gegeben. Die Landschaft ist langweilig und öde. Es ist flach und wir sehen monotone Plantagen. Die Kilometer wollen nicht vergehen und man freut sich förmlich, wenn da mal ein kleiner Anstieg kommt oder der Wind einem entgegen bläst, denn so spürt man wenigstens etwas Widerstand in den Pedalen.

Aber so ganz langweilig ist es dann eben auch nicht immer. Denn das, was uns hier auf der Straße entgegenkommt, überholt oder einfach nur parkt, hinterlässt bei uns immer wieder ein Schmunzeln.
Die Kleintransporter sind vollgepackt bis oben hin. Mopeds werden mit Seilen an der Heckscheibe befestigt, der Rekord liegt bei vier Scootern! Aber auch die Mopeds selbst haben so viel geladen, dass sie selbst schon zu kleinen Transportern werden.

Bis wir uns in die minimale Kommunikation eingesprochen haben, dauert es diesmal auch etwas länger. Das „Suasudai“ will uns einfach nicht so wirklich über die Lippen kommen. Erst ist es eine Art „suastay“ oder „suasustay“ und so weiter. Die Menschen winken und lächeln uns trotzdem zu, aber sie erwidern uns eben nichts. Dann faseln wir aus Spaß einen sinnlosen Satz auf Deutsch und winken dabei, woraufhin die gleiche Reaktion folgt. Wir haben wohl den falschen Übersetzer befragt. An einem kleinen Imbiss treffen wir auf einen Mann, der gutes Englisch spricht. Er klärt uns über die Aussprache auf und ab jetzt erwidern die Menschen uns auch ein lächelndes Suasudai!

Auch auf unserer weiteren Fahrt durch Kambodscha treffen wir immer mal wieder auf eine Person, die selbst in eher abgelegenen Dörfern ganz gutes Englisch spricht. Dies kann Zufall sein, aber im Vergleich zu Vietnam oder Laos fällt es uns doch auf.

Als wir gerade in der Stadt Stung Treng ankommen, entlädt sich der Himmel. Es schüttet wie aus Eimern. Wir stellen uns unter einem kleinen Dach unter und warten bis alles vorbei ist. Die Luft ist unglaublich feucht und die wiederkehrende Sonne macht daraus eine kleine Dampfsauna.
Auch am nächsten Tag spüren wir, dass wir jetzt so richtig in der Regenzeit angekommen sind. Ständig haben wir den inneren Konflikt, sollen wir nun durch den Regen radeln oder die Regenjacken anziehen, in denen man dann unglaublich schwitzt und schlussendlich auch alles nass ist.
Dadurch, dass wir ständig nass sind und mit einer so hohen Frequenz treten müssen, reiben wir uns auch immer wieder unsere Beininnenseiten auf. Nicht gerade angenehm, wenn man jeden Tag mehrere Stunden im Sattel verbringt.

Wir verlassen den Highway Nummer 7 und biegen auf eine Piste ab, die uns wieder näher zum Mekong bringen soll. Es tut gut, wieder auf einer kleineren Straße ohne Verkehr unterwegs sein zu können. Zunehmend ändert sich das Bild von öden Plantagen hin zu Reisfeldern, kleinen Gärten neben den Stelzenhäusern und abwechslungsreicherer Vegetation.  
Doch auch hier geht der Blick nicht nur in die Weite, sondern auch immer öfter nach oben. Der Himmel zieht sich schon wieder zu. Teilweise sehen wir dunkle, fast schwarze Wolken. Erkennen den Regen, der seine Streifen hinterlässt und erahnen die Wucht des Wolkenbruchs, der auf uns zurollt.
Die Piste ist auf einem ca. ein bis zwei Meter höheren Damm gebaut. Dass dies Sinn ergibt, sollen wir schon bald erleben. Links von uns steht alles unter Wasser. An einer Stelle schwappt das Wasser über die Piste. Die Häuser stechen mit ihren Stelzen aus dem Wasser hervor. Etwas weiter stehen wieder einige Felder und Palmen unter Wasser.

Dann kommen die dunklen Wolken näher und näher. Wir sind umkreist von ihnen und es scheint, als haben wir den letzten wolkenfreien Himmel direkt über uns. Zumindest noch kurz, dann schüttet es! Durchnässt erreichen wir den kleinen Ort Sambor am Mekong. Wir finden ein Gästehaus. Das Zimmer ohne Klimaanlage kostet die Hälfte…
Es war ein Fehler, dass Geld zu sparen, denn am nächsten Morgen sind unsere Sachen genauso klitschnass wie am Abend!

Wir sind jetzt schon ein Stück unterwegs, aber so ekelig, wie hier, fanden wir unsere Klamotten noch nie. Die nicht trocknen wollenden Sachen stinken so säuerlich nach altem Waschlappen und noch viel schlimmer. Selbst unsere Helme wollen wir eher mit zugehaltener Nase aufsetzen…

Gut, dass wir die ganzen Fetzen in Kratie mal wieder durch die Waschmaschine jagen können. Die quirlige Stadt am Fluss soll für ihre schönen Sonnenuntergänge bekannt sein, die uns dank der Regenzeit leider verwehrt bleiben. Wir gönnen unseren Beinen hier eine kurze Pause vom Strampeln und unseren Wunden, die Möglichkeit zu heilen.

15 km nördlich der Stadt gilt das kleine Fischerdorf Kampi als guter Ausgangspunkt, um die seltenen Irrawady- Delfine zu beobachten, die aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit sowohl im Süß- als auch Salzwasser überleben können. Auf dem knapp 200 Kilometer langen Mekongabschnitt zwischen Kambodscha und Laos sollen noch etwa 90 der vom Aussterben bedrohten Tiere leben. Die Zerstörung des Ökosystems durch den Bau von Wasserkraftwerken, Fischmangel und Fischereipraktiken, wie die Verwendung von Kiemennetzen oder Sprengstoffen, machen den Delfinen schwer zu schaffen. Wir sind hin und her gerissen, ob wir eine Bootstour zu den Delfinen unternehmen sollen oder nicht. Einerseits könnte es die letzte Möglichkeit sein, diese wunderbaren Wesen in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Andererseits tragen wir mit dem Lärm des Bootes vielleicht auch dazu bei, die Flussdelfine zu stören. Immerhin soll der Eintritt auch dem Schutz der Tiere zugutekommen.

Außer uns ist niemand am Bootsanleger. Der Bootsmann fährt also mit uns allein auf dem knatternden Boot hinaus. Eigentlich sind wir uns sicher, dass wir bei dem Krach niemals etwas zu Gesicht bekommen werden. Doch schon kurze Zeit später sehen wir die Rückenflossen einer Delfinfamilie kurz aus dem Wasser ragen, bevor sie genauso geschwind wieder in der braunen Brühe verschwinden. Als wir wenig später die kleine Insel innerhalb des Flusses erreicht haben, wird der Motor sofort abgestellt und wir treiben auf dem Wasser. Immer wieder tauchen die Delfine neben unserem Boot auf. Zunächst in der Ferne, später erblicken wir die kurzen Rückenflossen sogar nur wenige Meter entfernt. Manchmal haben wir sogar das Glück, den wulstigen Kopf und die auffällig kurze Schnauze zu sehen. Wir können die faszinierenden Tiere aber nicht nur sehen, sondern auch hören. Das Geräusch, welches entsteht, wenn die Delfine zum Luft holen auftauchen, macht uns einfach nur glücklich. Was für ein Erlebnis.

Es stimmt uns allerdings auch nachdenklich. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der Mensch mit unserer wunderbaren Erde umgeht. Wir können nur hoffen, dass die verschiedenen Schutzmaßnahmen, wie z.B. die der „River Dolphin Rivers Initiative“ des WWF, dazu beitragen, den Rückgang der Flussdelfinpopulationen zu stoppen, denn gesunde Flussdelfine sind letztlich auch ein Hinweis dafür, dass die Flüsse gesund sind und ein defektes Ökosystem hat immer auch Auswirkungen auf die Gesundheit der umliegenden Umwelt (vgl. WWF).

An der Phom Sambok Pagoda, die auf einem kleinen Hügel errichtet wurde, erwartet uns eine weitere Überraschung. Jede Menge Affen sitzen auf den Stufen zum buddhistischen Tempel und warten darauf, von den Menschen gefüttert zu werden. Sie sind viel zutraulicher und aggressiver als wir es von Indien oder Nepal kennen. Dennoch freuen wir uns, dass wir endlich mal wieder Affen in freier Wildbahn sehen. Es ist immer wieder schön, sie zu beobachten. Wir wandern um den Hügel und genießen nicht nur die entspannte Atmosphäre, sondern auch die schöne Natur sowie die Aussicht auf die flache Mekongebene von hier oben.

In Chhlong verabschieden wir uns vorerst vom Mekong. Zwischen bewässerten Grünflächen und unzähligen Mopeds geht’s auf der relativ befahrenen Straße 73 gen Süden. In den kleinen Dörfern werden am Straßenrand kuriose Speisen angeboten.

Einige Dörfer sind muslimisch geprägt und wir erblicken seit langem mal wieder die ein oder andere Moschee. Kurze Zeit später werden die Kopftücher der Frauen und typischen Hüte der Männer dann auch schon wieder weniger und buddhistische Tempel häufen sich. Wir passieren unzählige Hirt*innen mit ihren Rindern, die uns an Indien erinnern. Der Verkehr wird immer stärker. Wir regen uns über die rasenden Jeeps auf, die völlig rücksichtslos durch die Gegend brettern. Wir treten und treten, schwitzen und schwitzen.

Die langweiligen Kilometer gen Süden wollen nur langsam vergehen. Die Motivation sinkt und es ist öde und langweilig. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi. Wir haben so gar keinen Spaß mehr am Radeln, einfach keine Lust mehr. Wir zählen die Kilometer bis zur nächsten Kreuzung, dann bis zur nächsten Stadt, bis zur nächsten Kokosnusspause. Nur der Wille, irgendwie nach Ho Chi Minh zu kommen ist ungebrochen.

Die langweilige Landschaft besteht jetzt immer öfter aus Kautschukplantagen. Das ständig wechselnde Bild aus chaotischen Bäumen, die von dem nächsten Blickwinkel geordnet in einer Reihe stehen und dann wieder im Chaos verschwinden ist da schon eine große Abwechslung. Der monotone Wechsel aus Ordnung und Chaos.

Der Kautschuk wird gerade geerntet und auf kleinen und großen LKW abtransportiert. Die weiße, schwere Masse liegt überall am Straßenrand und wartet auf den Abtransport. Der süßlich saure Geruch, den das Zeug hinterlässt, ist fast so ekelhaft wie Kotzgeruch.

Dann sind wir auch schon wieder über die Grenze nach Vietnam gerollt. Diesmal ohne Probleme! Unser Ziel ist jetzt schon fast greifbar. Die Freude kehrt zurück, die Hoffnung wird stärker! Und dann, dann wird aus dem wenigen Widerstand, den man bei Treten spürt, ein kompletter Leerlauf. Auf den letzten Meter reißt jetzt auch noch die Kette!

Schonmal eine Kette geflickt? Ja, wir auch nicht und Ahnung haben wir jetzt auch nicht so wirklich von der ganzen Materie. Wir haben zwar ein Ersatzkettenschloss dabei, aber gemacht haben wir es eben auch noch nicht. Also durchstöbern wir das Internet und daraufhin unser Multitool auf der Suche nach einem Kettennieter. Ja, das da könnte einer sein.
Wir lösen das alte Glied raus und setzen das Neue ein. Prüfen, ob die Kette auch richtig durch die Schaltung verläuft und klicken es zusammen. Eigentlich ganz einfach… Kurze Zeit später einfach nur noch dumm, denn wir haben zwar die Schaltung kontrolliert, aber eben nicht den Umwerfer, an dem die Kette nun vorbeiläuft. Wir sind unglaublich genervt von unserer eigenen Dummheit, denn es bedeutet, dass wir nun unser zweites und letztes Kettenschloss dafür verschwenden müssen.
Das Zittern auf den letzten zwei Etappen bekommt also noch eine weitere Komponente, denn wir wissen, wie die anderen Kettenglieder von beiden Ketten aussehen!

Wir kommen dem Stadtgebiet der Millionen Metropole Ho Chi Minh City (ehemals Saigon) immer näher. Der Verkehr wird dichter, chaotischer und doch nicht unnormal für uns. Wir fühlen uns sicher auf den Rädern, auf den vierspurigen Straßen mit unzähligen Mopeds und Autos. Fühlen uns sicher, wenn uns die Mopeds auf unserer Spur entgegenkommen und hier und da aus der Ecke hervorhuschen. Ja, es ist dieser besagte Fluss, in dem man sich befindet. Alles läuft irgendwie miteinander. Ein geordnetes Chaos.

Aus 500 Kilometern werden 50, dann fünf und dann sind wir da! Wir haben es geschafft! Und vor allem unsere Räder haben es geschafft und irgendwie gehalten! Wir sind glücklich und froh, aber irgendwie fällt da noch nichts von uns ab, wie man vielleicht denken mag, nicht sofort. Es dauert bestimmt noch eine Weile, wir haben wohl einiges zu verarbeiten.

Wir gönnen unseren Räder eine kleine Erneuerugskur, die sie bitter nötig haben. Im Zentrum von Ho Chi Minh City finden wir das Fahrradgeschäft von Van, der zwar noch Mechaniker ist, sich aber längst auf Touren spezialisiert hat. Es heißt, er hilft nur im Notfall bei Reparaturen aus oder, wie wir auch erfahren haben, bei Radreisenden, die die Welt erkunden.
An unseren Rädern hat er schwer zu hadern. Der Zustand ist miserabel. Die Zähne der kleinen Umlenkrollen sind schon gar nicht mehr vorhanden, die Lager der Räder verhärtet und verschmutzt, die Federn der Bremsen verschlammt. Er erzählt uns im Nachhinein mit einem zufriedenen Lächeln, wie viel Öl er verwenden musste, um alles wieder fit zu bekommen.

Es ist schon manchmal lustig, wie sich so manche Dinge ergeben. Als wir bei unserer Abschiedsrunde in Deutschland bei Tante Heike waren, erzählte sie uns stolz von ihrem Bekannten aus Vietnam. Wir sollen uns einfach melden, wenn wir da irgendwann einen Ansprechpartner brauchen.
Nun mussten wir damals doch recht schmunzeln, war Deutschland da gerade erst aus dem zweiten Lockdown erwacht und wir unsicher, ob wir europäische Grenzen überhaupt überschreiten können. Die Tage, Wochen, Monate vergingen und irgendwann meldete sich das Unterbewusstsein. Vietnam – Bekannter – da war doch was?!
Also radeln wir unsere vorerst letzten Meter auf dem Rad von Ho Chi Minh City gen Südwesten, in eine Kleinstadt, wo wir den Bekannten von Tante Heike treffen.

Ist es nun Zufall oder Glück, dass wir am anderen Ende der Welt jemanden bekanntes finden?  Oder ist es heute längst Normalität, dass man in der globalisierten Welt überall, irgendwie, irgendjemanden über zwei, drei Ecken kennt?

Wie auch immer, wir sind einfach nur froh. dass wir einen sicheren Platz für unsere Räder gefunden haben und einen lustigen Abend mit Simon verbingen können.

Vielen lieben Dank Tante Heike & Simon!

Auf dem Weg zu Simon knacken wir auf den letzten Meter noch einen Meilenstein!
20.000!
Einmal um die halbe Welt!

Doch die Freude ist recht verhalten, uns fehlt einfach die Energie für die Euphorie, die es eigentlich bei uns auslösen sollte. Wir sind so erschöpft und ausgelaugt, wie schon lang nicht mehr, gestresst und angespannt. Unsere Pause ist mehr als überfällig.
Maik & Alina haben das in einer freudigen Nachricht recht gut auf den Punkt gebracht, denn sie haben uns daran erinnert, dass wir bereits vor einem Jahr, als wir uns kennengelernt haben, von dieser längeren Pause sprachen. Wir wissen wohl am Ende selber nicht, warum wir es immer weiter herausgeschoben haben. Aber es ist halt auch manchmal gar nicht so einfach etwas nicht zu machen.

Jetzt ist es aber soweit und wir verabschieden uns hiermit in eine längere Sommerpause.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Julia

    Eure Texte, diese wahnsinnig tollen Bilder! Man wird in eure Erlebnisse förmlich hereingezogen. DANKE für diese wertvollen Einblicke! Und erholt euch gut, diese Pause ist ganz offensichtlich überfällig und mehr als verdient ;-). Mit großem Respekt und wehmütigen Grüßen, Julia