Unser Weg führt uns weiter durch die laotischen Berge. Die Anstiege, die Hitze und die Suche nach etwas Essbarem begleiten uns noch bis an den Mekong.

Viel Spaß beim Lesen!

Nach den Bergen ist vor den Bergen, zumindest in Nordlaos. Wir quälen uns wieder nach oben, diesmal auf die Hochebene um Phonsavan, die sogenannte Ebene der Tonkrüge. Ein archäologisches Highlight in Laos, für welches uns jedoch jegliche Motivation und Energie fehlt. Die gewaltigen Steinkrüge stellen Archäolog*innen bis heute vor Rätsel, da der genaue Ursprung der alten Gefäße unklar ist.

Auf dem Weg durch die Berge passieren wir immer wieder kleine Dörfer, die oft die Heimat der Hmong sind, einem indigenen Volk, welches sich darüber hinaus auch in Vietnam, Thailand und China angesiedelt hat. In der Provinz Xieng Khouang machen sie sogar die Hälfte der Bevölkerung aus.
Die Familie gilt bei den Hmong als die wichtigste Institution im Leben. Sie sprechen ihre eigene Sprache und leben ihre Traditionen weiter, was wohl vor allem auf die Älteren zutrifft.
Die jungen Menschen leben gefühlt mit einem Bein oder besser gesagt mit einem Klick in der Moderne. Wenn man die Teenager in ihrer neuzeitlichen Kleidung selbst im abgelegensten Dorf gespannt auf ihre Smartphones stieren sieht, könnte diese Situation genauso mitten in Europa stattfinden.

Wir denken über die Vor- und Nachteile des überall auf der Welt gegenwärtigen Smartphones nach. Einerseits öffnet die große Welt des Internets den Blick in Welten, die einem vielleicht so nie möglich wären. Neues Wissen, neue Ideen oder Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten. Andererseits entsteht vielleicht auch ein gewisser Druck oder Neid auf ein scheinbar besseres Leben anderer Personen, was natürlich gerade im Teenageralter enorme Folgen haben kann. Wir philosophieren noch eine Weile über das Thema, bis der nächste Berg wieder unsere vollkommene Aufmerksamkeit benötigt.

Mit dem Erreichen der knapp 50.000 Einwohner*innen zählenden Provinzhauptstadt Phonsavan, kehrt auch für uns eine gewisse Infrastruktur zurück. Wir finden Supermärkte, Restaurants mit englischen Menüs und Cafés. Es tut gut, sich nicht ewig lange den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man die Bestellung jetzt bestmöglich ans Gegenüber übermittelt.
Wir genießen den kurzen Hauch der Zivilisation, bevor wir uns wieder in die abgeschiedenen Gegenden aufmachen. Es soll zwar nicht so abgelegen wie im Nordosten werden, aber für uns immer noch anstrengend genug. Bis es so weit ist, decken wir uns in weiser Voraussicht lieber noch auf dem hiesigen Frischmarkt mit Proviant für die nächsten Tage ein.

Auf unserem Weg gen Muang Khoun, der alten Haupstadt der Provinz, entdecken wir zunehmend wieder viele Felder am Wegesrand. Außerdem werden das Reispapier und die Reisnudeln unter freiem Himmel in der Sonne getrocknet. Zumindest bis der nächste Regenguss kommt.

Mit einer knapp 20 Kilometer langen Abfahrt verlassen wir die Hochebene und lassen somit auch die höheren Berge hinter uns. Wir erhaschen sogar einen Blick auf Laos höchsten Berg, den Phou Bia (2.819 m). Die Vorfreude auf den flacheren Abschnitt in Laos hält nur kurz an. Schon bald werden wir von einem anderen kräftezehrenden Unheil eingeholt – Gegenwind! Wir wollen es einfach nicht wahrhaben, selbst in dem flachen Tal, was jetzt vor uns liegt, müssen wir so energisch in die Pedale treten. Es raubt uns einfach die letzten Reserven. Unsere Stimmung ist längst gekippt. Hungrig, müde und erschöpft sind wir mittlerweile extrem gereizt und haben eine recht kurze Zündschnur.
In einem kleinen Restaurant versuchen wir uns etwas Essbares zu bestellen. Es gibt Bilder, was die Sache eigentlich einfach machen sollte. Vehement zeigen wir mehrmals auf die gebratenen Nudeln. In der Vorfreude auf etwas Verträgliches für unsere Gaumen warten wir, bis die grummelige Frau mit zwei Suppenschüsseln um die Ecke kommt. In der, uns bis zum Hals stehenden Nudelsuppe, schwimmt halbrohes Hühnerfleisch. Den Würgereiz unterdrückend, haben wir nicht einmal die Kraft, uns zu fragen, was die Frau an all unseren Deutungen nicht verstanden hat. Wir lassen es einfach stehen und fahren weiter.

Den Höhepunkt nimmt dieses Drama am Abend. Wir haben zwar mittlerweile unseren Hunger besänftigen können, dies liegt jedoch auch schon wieder einen halben Tag zurück. Völlig erschöpft erreichen wir nach einer langen Etappe, in der vollen Sonne bei ca. 40 Grad, den Ort Thathom. Laut Google gibt es hier mehrere Gästehäuser und ja, die gibt es auch. Allerdings sind sie alle belegt. Um unsere Fassungslosigkeit in dieser Situation zu verdeutlichen, helfen vielleicht folgende Tatsachen. Wir sind in der Nebensaison hier, haben bisher kaum Tourist*innen gesehen, waren fast immer die einzigen Gäste und auf einmal sollen in diesem Kuhkaff alle Zimmer belegt sein? Unsere Nerven liegen völlig blank. Wir fahren von einem Gästehaus zum anderen, immer die gleiche Antwort! Das kann doch einfach nicht wahr sein!
Wir sind schon etwas aus der Stadt hinaus, als wir doch noch ein kleines Zimmer bekommen und das auch nur, weil diese kleine Rumpelbude keine Klimaanlage besitzt. Denn hier erfahren wir auch, warum alle Zimmer belegt sind. Es wird eine bedeutende Stromtrasse gebaut und so gut wie alle Arbeiter kommen hier in Thathom unter.

Im Jahr 2024 möchte Laos nicht mehr zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt, den Least Developed Countries (vgl. United Nations) gehören. Investitionsprojekte sollen dieses Ziel beschleunigen, doch die Modernisierung hat ihren Preis. Staudammprojekte sind ein Bestandteil der angestrebten Modernisierung des Landes.
Laos wird auch als die „Batterie Südostasiens“ bezeichnet, Strom macht einen großen Teil der Exporte des Landes aus. Doch die Staudämme am Mekong bedrohen zunehmend das zusammenhängende Ökosystem des wichtigen Flusses mit seiner Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Durch den Bau von Staudämmen verschwinden nicht nur Fische, sondern auch wichtige und fruchtbare Anbaugebiete für andere Nahrungsgrundlagen wie Reis. Menschen müssen für die Wasserkraft weichen und werden in höhere Regionen umgesiedelt. Da dort nur wenige Ackerflächen zur Verfügung stehen, werden sie oftmals zur Waldrodung gezwungen.
Was uns dann wohl auch zum nächsten Problem bringt. Brandrodungsfeldbau ist besonders im Norden des Landes bei den Bergvölkern gängige Praxis. Was in unseren Augen als pure Luftverschmutzung und Umweltsünde gilt und uns die Nasen rümpfen lässt, kann auch ein durchdachter Rhythmus aus Brandrodung, Saat, Ernte und Brachlegung sein, der dem Boden neue Nährstoffe zuführt.
Da die Regierung allerdings eine Intensivierung der Landwirtschaft anstrebt, werden die Brachzeiten zwangsweise kürzer und Folgen wie ausgelaugte Böden oder geringerer Wuchs sind unabwendbar (vgl. Reiseführer Laos Stefan Loose 2019).

Bevor wir die flache Ebene des Mekongs erreichen, müssen wir noch eine letzte Bergkette überwinden. Die ist zwar nicht sehr hoch, aber da uns mittlerweile auch unser erster, laotischer Starkregenschauer auf dem Rad eingeholt hat, wird die Sache recht schweißtreibend. Am Ende sind wir unter unseren Regensachen wohl genau so nass, als hätten wir keine angehabt. Der Schweiß läuft schon von der Innenseite der Jacke heraus. Alles klebt und ist nass, von oben schüttet es wie aus Eimern.

Durch all die Widrigkeiten haben wir nur so halb ein Auge für die wunderschöne Natur, die uns hier umgibt. Nach dem Regen schaut es aus, als ob die bewaldeten Hügel dampfen. Der Regenwald wirkt hier noch intakt und ist einfach unglaublich schön.

Wie verlassen die Hauptstraße und radeln auf einer Piste gen Mekong. Der Untergrund besteht aus rotem Schotter und Sand. Noch nass von dem starken Regen, wirkt es, als leuchtet er. Eingerahmt und perfektioniert wird diese Szenerie von dem grünen Randstreifen. Wir atmen durch, kommen runter und genießen den Moment. Wahrscheinlich so sehr, wie die Wasserbüffel genüsslich ihr Bad im kühlen Schlamm genießen.

Am Abend schlängeln wir uns durch Häuser und Gärten von Pakkading an das Ufer des riesigen Stroms. Fischer schippern über das Wasser, die Sonne geht unter, der Himmel hat eine gelb-rötliche, warme Färbung. Es macht sich direkt etwas Urlaubsstimmung in uns breit.

Am nächsten Tag erwartet uns für weitere 40 Kilometer ein ähnliches Bild bei ähnlich heißen Temperaturen. Ein kleines Highlight ist unsere erste, kurze Fährfahrt, wobei wir bis zum Ende innig hoffen, dass sie heute an einem Sonntag auch wirklich fährt und wir nicht wieder den ganzen Weg wieder zurückfahren müssen.

Außerdem sehen wir erneut gerodete Flächen, die uns wieder vor Augen führen, dass Brandrodung hierzulande in der Landwirtschaft eine sehr weit verbreitete Methode zur Landgewinnung ist. Diesmal musste der Regenwald den Kautschukplantagen weichen, die zunehmend den Wald in Laos verdrängen.
Die endlosen Gummibaumreihen haben wir schon des Öfteren am Straßenrand erblickt. Wir erfahren, dass die Kautschukplantagen den Bauern und Bäuerinnen gute Einnahmen bringen, weshalb die auf den Export ausgerichteten Monokulturen sich im Moment rasant verbreiten.

Unseren abendlichen Schlafplatz erreichen wir schon am Nachmittag, was dazu führt, schon bald auf Essenssuche zu gehen. In dem kleinen Gästehaus wird uns gesagt, die Straße hoch gibt es ein Restaurant. Wir laufen die rote Schotterpiste durch das kleine Dorf Ban Thasa-At. Die hölzernen Häuser auf Stelzen zieren den Weg. Dann sehen wir etwas, was nach einem Restaurant aussehen könnte.
Wir versuchen uns mit der Frage nach Reis, nur blöd, dass das Wort khao einerseits Reis aber andererseits eben auch sehr allgemein Essen bedeutet. Die Frau bejaht es und nach einigen Minuten nichts machen zeigen wir ein Bild mit gebratenem Reis. Sie schüttelt den Kopf, wir gehen weiter.

Wir finden einen kleinen Marktstand. Wir kaufen verschrumpelte Tomaten und Gurken. Außerdem gibt es bereits gekochte und nun in der Sonne stehende Reisnudeln in Frischhaltefolie eingehüllt. Die einfach ausweglose Situation lässt uns diese kaufen. Wobei sich allein das Bezahlen bestimmt fünf Minuten hinzieht, da uns die ältere Omi einfach nicht sagen oder zeigen kann, was es kostet.
In jedem Fall kostet es sehr viele Nerven. Essen werden wir die Nudeln am Ende nicht. Als wir die Folie öffnen und uns Schimmelpilze anlachen, kommt der Würgereiz zurück. 

Am Abend wagen wir erneut einen Versuch. Wir passieren wieder das kleine Restaurant. Die Frau winkt uns heran. Sie habe jetzt Reis für uns. Jedenfalls ist es das, was wir aus dem Gespräch entnehmen. Wir sind uns jedoch nicht ganz sicher, ob es so ist und erkunden zunächst noch den Rest des Dorfes, mit dem Resultat, am Ende doch wieder bei der Frau zu stehen.
Lächelnd begrüßt sie uns. Deutet an, dass sie jetzt für die Frauen kocht, die an dem einzigen Tisch des Etablissements sitzen und dann für uns. Das ist jedenfalls wiederum das, was wir denken, verstanden zu haben und mit den Beobachtungen der Umgebung zu einer sinnvollen Situation kombinieren.

So stehen wir nun also vor dem eintischigen Restaurant des Dorfes, irgendwo an einer Schotterpiste am Mekong, ohne wirklich zu wissen, ob wir nicht umsonst warten. Die Dorfjugend ist schon längst auf uns aufmerksam geworden und umringt uns bereits mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Die Frau hinter der Holzpalisade hat alle Hände voll zu tun. Nachdem sie den Feldarbeiterinnen die Suppen aufgetischt hat, ist sie dabei Plastiktüten mit Suppe und Sojasprossen zu befüllen, die die Frauen später mitnehmen werden. Es könnte ein schöner Moment sein, so nah am authentischen Leben, doch uns fehlt schlicht die Energie.

Der Abend hat ein versöhnliches Ende. Kurze Zeit nach dem wir uns an den Tisch gesetzt haben, steht eine kleine Portion gebratener Reis mit Gemüse vor uns. Köstlich!

Im ersten Licht bepacken wir die Räder und verabschieden uns erstmal wieder vom Mekong, der Lebensader des Landes. Schon nach wenigen Kilometern geht es für uns auf einer ausgewaschenen Piste nach oben über eine kleine Hügelkette, die parallel zum riesigen Strom verläuft.
Es geht zwar nur auf gute 300 Höhenmeter nach oben, aber der Weg ist nicht nur in sehr schlechtem Zustand, sondern auch so steil, dass wir unsere Räder gemeinsam schieben müssen, um uns Stück für Stück nach oben zu arbeiten. Die T-Shirts können wir schon längst wieder auswringen. Der Schweiß läuft mal wieder in kleinen Rinnsalen den kompletten Körper hinab. Doch oben angekommen werden wir mit einer fantastischen Aussicht belohnt.

Vor uns liegt ein touristisches Highlight von Laos, der Thakhek-Loop. Als wir auf die erste Straßenkreuzung der Rundfahrt treffen und in dem kleinen Restaurant gebratenen Reis zum Frühstück bestellen wollen, erwidert die Frau fragend: „With pork or vegetarian?“

Wir schauen sie wohl einfach nur so überrascht an, wie uns die Laot*innen meistens anschauen, wenn wir etwas bestellen.

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Nicht aufgeben! Obwohl euch körperlich und mental viel abverlangt wird…. was für eine andere Welt!
    Viele Grüße von der Ostsee, wo heute die Kieler Woche zu Ende geht. Im vietnamesischen Restaurant an der Ostseehalle denken wir an euch… 🥣🥡🍱🍜🍛