„Good Luck in Kyrgyzstan!“ So werden wir an der Grenze in Kirgistan begrüßt. Doch statt Glück brauchen wir vor allem ausreichend Puste und Muskelkraft, um in die wunderbare Bergwelt hoch oben im „Himmelsgebirge“ – dem Tian Shan einzutauchen.

Viel Spaß beim Lesen!

Der östliche Grenzübergang von Kasachstan nach Kirgistan ist sehr klein und lediglich in den Sommermonaten geöffnet. Trotzdem warten wir ewig, bis wir endlich an der Reihe sind. Man nimmt es hier mit der Kontrolle wohl besonders genau. Vielleicht ist es aber auch nur eine Art Zeitvertreib der kasachischen Grenzpolizisten, um hier draußen nicht an Langeweile zu vergehen. Wir schieben unsere Räder durch einen gefühlten Hochsicherheitstrakt, neben uns große Zäune mit Stacheldraht, sodass man auch ja nicht der Grenzkontrolle entweichen kann. Doch diese „Sicherheitsmaßnahmen“ sind auf einen kleinen Bereich begrenzt. Etwa 50 Meter neben uns passieren unzählige Pferde die offene, grüne Grenze. Es wirkt etwas suspekt.

Салам Кыргызстан

Salam Kirgistan!

Kurz hinter der Grenze machen wir eine Pause. Vor uns liegt diese Weite, die Berge. Pferdeherden galoppieren an uns vorbei, bis sie von den berittenen Hirten eingetrieben werden. An die Straßenverhältnisse werden wir uns wohl noch gewöhnen müssen, denn holprige Pisten mit einer Art Waschbrettstruktur können einem schon ziemlich den Spaß am Radeln verderben…

Gut durchgeschüttelt erreichen wir am Abend ein kleines Dorf. In dem kleinen Laden ist die Auswahl spärlich, doch ein Bierchen zum Ankommen finden wir allemal. Es ziehen starke Böen auf und wir fragen einen jungen Mann, ob er nicht eine Idee hat, wo wir heute unsere Zelte aufstellen können. Da kommt Joan ins Spiel. Der ältere Opi führt uns in seinen kleinen Garten nebenan. Später kommen sein Sohn und Enkel noch vorbei und begrüßen uns ebenfalls sehr herzlich. Er lebt jetzt in Almaty. Wir rufen uns diese sinnlos wirkende Grenzkontrolle zurück in den Kopf, die er jedes Mal erdulden muss, wenn er seinen Vater sehen will.
Wir genießen unseren ersten Abend in Kirgistan, bevor uns die Kälte in die Zelte treibt. Erholsam soll es nicht werden. Mitten in der Nacht werden wir durch ein blechernes Geklapper geweckt. Es klingt als knallen immer wieder Milchkannen aneinander. Etwas später hören wir Joan lallend etwas sagen, es klingt sehr nah, als stehe er direkt vor dem Zelt. Wir schauen nach draußen und grandpa Joan steht stockbesoffen vor uns. Er deutet uns an, dass wir doch noch einen Schnaps mit ihm trinken sollen. Pantomimisch zeigen wir ihm, dass es wohl besser sei zu schlafen. Er schlendert zurück zu seinem Haus. Um seine Ausfallschritte auszugleichen, benötigt er den halben Garten. Rumpelnd betritt er das Haus…
Am nächsten Morgen steht er schon wieder auf den Beinen, so halb jedenfalls. Er steuert durch den Garten und versucht ein unangenehmes Gespräch mit uns aufzubauen. Der Alkohol hat ihn noch längst nicht verlassen und wir versuchen ihn -ohne eine gemeinsame Sprache- ins Bett zu schicken. Einige Minuten später stürzt er mit einer vollen Milchkanne aus dem Haus. Ein Saufkumpan sitzt daneben und es scheint ihn nicht zu interessieren, was vermutlich an seinem ähnlich hohen Pegel liegt. Wir versuchen ihn mit Kompressen zu verarzten, doch grandpa hat nur eins im Sinne. Er stürzt nach drinnen und kommt mit einer halben Flasche Vodka und Gläsern zurück. Wir fühlen uns so richtig unwohl und packen schnell unsere Sachen zusammen, um den Garten zu verlassen. Doch auch im Dorf interessiert sich niemand für die Situation. Es scheint „normal“ zu sein. Es ist ein bedrückendes Gefühl. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie es hier draußen wohl in den harten, kalten Wintermonaten sein muss…

Nach unserem ersten Schock widmen wir uns nun der wunderbaren, kirgisischen Bergwelt. Eine kleine aber doch recht steile Piste führt uns über die erste, milde Bergkette. Die Natur ist wunderschön! Wir erblicken die ersten Jurten und werden freundlich von den hier lebenden Halbnomad*innen begrüßt. Wir machen eine kleine Kekspause mit einer Gruppe Kindern. Im Anschluss schenkt uns ihr Vater noch eine Flasche Kumys. Wiederworte sind zwecklos, doch trauen wir uns nicht wirklich, die säuerliche, vergorene Stutenmilch zu trinken.

Auf dem Weg nach Karakol bekommen wir auch direkt die nicht so schönen Dinge zu spüren. Der kirgisische Verkehr ist nicht unbedingt der beste der Welt. Kaum wird aus der holprigen Piste eine anschauliche Asphaltstraße, verwandeln sich die ohnehin nicht gerade rücksichtsvollen Autofahrer*innen in ungemütliche Raser*innen. Gehupt wird jetzt hauptsächlich dafür, um uns zu zeigen, dass wir auf der Straße nichts verloren haben…
Außerdem, und das macht uns viel trauriger, werden wir von einigen Kindern erst nett begrüßt und dann im zweiten Satz nach Geld gefragt. Dieses leicht vorwurfsvolle, böse wirkende, aber auch kindliche „Money, Money!“ schmerzt doch sehr. Im Vergleich sind es jedoch viel weniger als die einfach freundlich winkenden und uns begrüßenden Kinder. Doch wie so oft sind es leider die wenigen Lauten, die einem besonders in Erinnerung bleiben.

Karakol ist mit ca. 70.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Kirgistans. Neben einem kleinen, geschäftigen Zentrum, wo man alles bekommt, was das Herz begehrt, wirkt die Stadt doch eher wie eine dörfliche Vorstadt. Die Straßen sind ruhig und die ein- bis zweistöckigen Häuser haben oft einen grünen Garten davor.
Ganz anderes auf dem kleinen Bazar. Die rumpeligen Buden oder oft auch Schiffscontainer reihen sich aneinander und es wird jeder Zentimeter genutzt. Inmitten eines großen, hallenartigen Gebäudes, welches auch innen von vielen kleinen Läden und Ständen gesäumt ist, finden wir ein Lokal, was zu den besten der Stadt gehören soll. Wenn man sich anschaut, wie voll es darin ist, scheint dies wohl zu stimmen. Im Kantinenstyle stellen wir uns an der Schlange an. Es gibt hier nur ein Gericht – Ashlan Fu, eine kalte Suppe mit zweierlei Nudeln, und dazu frittiertes Brot mit Kartoffelfüllung (piroshky). Glück hat man, wenn man hier einen Platz zum Sitzen findet und dieses Glück wehrt oft nur kurz. Sobald die Schüsseln leergefuttert sind, werden sie auch schon abtransportiert, um Platz für die nächsten Gäste zu machen. Geschmeckt hat es jedenfalls richtig gut!

Nach etwas Entspannung im Hostel, wollen wir uns auf einen Trek zum Ala-Kul begeben. Etwas planlos und blauäugig besorgen wir uns einen zweiten Rucksack und packen unsere Sachen für eine mehrtägige Wanderung, ohne überhaupt zu wissen, auf was wir uns da eigentlich einlassen.
Diesmal sind wir sogar zu sechst. Wir treffen Seb und Marion in Karakol, die ebenfalls mit dem Rad unterwegs sind und den gleichen Trek geplant haben. 

Auf dem Weg immer weiter nach oben, spüren wir mal wieder, wie unberechenbar und gnadenlos die Natur sein kann. Sind wir am ersten Tag noch in schweißtreibenden Sonnenschein die Berge hochgekraxelt, finden wir uns nicht mal einen Tag später mitten im Schneesturm wieder und erreichen nach Luft ringend den Pass auf knapp 4.000 Metern, was uns unvorbereitet und blauäugig, wie wir sind, nicht so ganz bewusst war. Denn wir wussten zwar, dass es nach oben geht, aber dass wir an der 4.000 kratzen, haben wir erst auf dem Gipfel bemerkt.

Der Abstieg gleicht eher einer Rutschpartie, aber glücklicherweise haben die Wandersleute vor uns schon einen Weg in den Schnee gestapft. Aus Schnee wird Regen und wir hören das Grollen eines Gewitters. Doch wir erreichen unser Tagesziel, völlig erschöpft und ausgelaugt von den Strapazen.

Wir übernachten alle gemeinsam das erste Mal in einer Jurte. Das Wissen und die Kenntnisse um den Bau dieser genial konstruierten Behausung der zentralasiatischen Reiternomad*innen gehört zum immateriellen UNESCO- Weltkulturerbe. Das runde Grundgerüst aus Holz wird mit Filz überdeckt und mit Seilen umflochten. Eine Jurte kann in wenigen Stunden auf- und abgebaut werden und ist damit natürlich die perfekte Behausung für Nomad*innen. Die ,,Krone‘‘ einer traditionell kirgisischen Jurte, die sich je nach Wetter öffnen oder schließen lässt, findet sich auch in der Kirgisischen Flagge wieder. Darüber hinaus begegnet uns das Symbol der Jurtenkrone während unserer Fahrt durch Kirgistan aber auch z.B. an Ortseingangsschildern, in Zäunen, auf Friedhöfen, in Fenstern oder in Parks. Man spürt also förmlich überall, wie verbunden die Menschen mit ihren nomadischen Wurzeln sind.

Unser letzter Wandertag hält noch eine morgendliche Überraschung bereit. Wir genießen die heißen Quellen oberhalb des wilden Flusses noch bevor der Ansturm der Leute kommt. Im Anschluss geht es entspannt, aber doch noch unerwartet lange, zurück gen Tal und nach Karakol.  

Nach dem Trek erinnern uns unsere Waden und Beinmuskeln noch einige Tage an die Wanderung. Beim Radeln werden eben doch ganz andere Muskeln beansprucht, wie wir mal wieder schmerzlich feststellen müssen.
Wir nutzen die Zeit, um uns über den weiteren Weg Gedanken zu machen. Marion und Seb können uns ein paar hilfreiche Tipps geben, da sie aus der anderen Richtung kommen und bereits durch Kirgistan geradelt sind. Solche Informationen aus erster Hand sind immer wieder Gold wert. Vor allem die heiße Information, dass sie ein Paket per Taxi erfolgreich von Osh nach Karakol geschickt haben, um ihre Räder für die kirgisische Bergwelt ein wenig zu erleichtern. Auch wir sortieren ein paar Sachen aus, um Platz und Gewicht zu schaffen, denn für die nächste Woche müssen wir unsere komplette Essensversorgung auf unseren Drahteseln transportieren.
Wir entscheiden uns letztendlich für die Strecke über den Tosorpass, d.h. zum ersten Mal auf unserer Reise werden wir für ca. eine Woche aus der Zivilisation verschwinden und der Luxus, der uns bisher in jedem Land zuteilwurde, mindestens aller zwei Tage einen kleinen Tante Emma Laden zu finden, ist nun erst einmal Geschichte. Wir überlegen wie viel Essen wir wohl benötigen werden, schließlich ist es unser Antrieb bzw. Motor und es erwarten uns fordernde Pisten und unzählige Höhenmeter. Die Aufregung steigt.
Wie werden wir mit der Höhe und den schwer bepackten Rädern klarkommen? Wird das Essen reichen? Werden wir genügend Wasser finden? Was machen wir, wenn uns irgendetwas passiert, irgendwo im Nirgendwo? Aber eben genau diese Aufregung macht ja das Abenteuer aus, auf das wir uns gleichzeitig unendlich freuen.

 

Doch bevor es für uns hoch hinaus geht, genießen wir noch zwei Tage das kirgisische Meer. Ab jetzt sind wir wieder zu zweit unterwegs. Der Issyk Kul ist der größte See Kirgistans, der zweitgrößte Gebirgssee der Welt und das sogenannte Herz des Tian Shan. Der „heiße“ See, der auch im Winter bei sehr kühlen Außentemperaturen nicht gefriert, ist für seine Lage in Höhe von ca. 1.600 m tatsächlich angenehm warm und für uns ein kleiner Meeresersatz. Denn auch das leicht salzige Wasser schmeckt halt, wie ein Meer schmecken sollte.
Nach zwei Nächten am See kribbelt es dann allerdings doch ganz schön, wir haben nicht mehr wirklich Ruhe und wir wollen endlich gen Pass aufbrechen. Wir verabschieden uns also in Tosor nicht nur von der Asphaltstraße, sondern auch von der Zivilisation und aus dem Netz, um die nächsten drei Tage vor allem eins zu tun: bergauf zu radeln.  

Die Landschaft ist traumhaft und gestärkt durch das Adrenalin und die Endorphine klettern wir immer weiter nach oben. Die Piste wird immer schlechter und auf den recht steilen Abschnitten von über 10 % haben wir immer wieder Probleme zu radeln. Teilweise müssen wir schieben, weil der Untergrund zu locker ist und unsere Räder einfach wegrutschen. Sand, Schotter, lose Steine und Flusskies erschweren das Radeln ungemein. Wir sind hochkonzentriert, denn im Hinterkopf haben wir stets, dass es jetzt wohl bessere wäre nicht zu stürzen.
Die Bergwelt um uns herum verändert sich, sie wird immer rauer und hochgebirgiger. Wir sehen kaum Menschen, lediglich ein paar Hirten und vielleicht ein oder zwei Autos am Tag. Dafür umso mehr Tiere. Besonders viele Pferde, Schafe, Ziegen, aber auch zum ersten Mal in unserem Leben Yaks und Murmeltiere.

Am Tag des Gipfelsturms werden wir durch das Tropfen des Regens auf der Zeltplane geweckt. Es ist kalt und als wir unseren Kopf hinausstecken sehen wir nichts. Wir sind mittendrin in den Wolken und den dicken Nebelschwaden. Wir überlegen, was wir machen sollen. Einen Tag warten oder losradeln, mit dem Wissen, dass der Regen wohl zu Schnee werden wird, wenn wir höher kommen. Doch wir haben auch keine Ahnung wie das Wetter die nächsten Tage werden soll und wagen uns daher zurück auf die Piste.

Bei Temperaturen um die null Grad kämpfen wir uns immer weiter nach oben. Die Sicht ist schlecht bis nicht vorhanden. Aus Regen wird Schnee. Die Luft wird immer dünner und wir brauchen immer häufiger in immer kürzeren Abständen eine Verschnaufpause. Die Piste wird so schlecht und so steil, dass wir zu zweit jeweils ein Fahrrad schieben müssen. Wir schauen immer wieder auf das GPS, wann wir denn endlich oben sind, wir zählen in 100-Meter-Schritten.
Dann, „kurz“ bevor wir oben sind, öffnet sich der Himmel ein wenig. Das erste Mal am Tag etwas, was man als Sicht bezeichnen könnte. Wir blicken auf den Gletscher und das schroffe, graue, geröllgesäumte Bergmassiv, welches uns umgibt. Wir sind überwältigt!

Bis zur Passhöhe ist es noch ca. ein Kilometer, wir brauchen dafür eine knappe Stunde. Immer wieder müssen wir schieben, anhalten, pausieren, atmen! Die Oberschenkel brennen, die Lunge auch! Dann erreichen wir den Pass – 3.893 m! Wir sind erneut überwältigt, diesmal davon es geschafft zu haben, denn sehen können wir in den Wolken nichts.

Doch schon bald werden die überschwänglichen Gefühle durch Zittern und Kälte abgelöst. Es weht eine eisige Briese und wir müssen unsere Bremsen wieder fit bekommen. Der Weg nach oben, auf dem man aufgrund der schlechten „Straße“ immer wieder bremsen musste und die kleinen Steine, Sand und Wasser haben unseren Bremsbacken dabei so zugesetzt, dass wir sie erst einmal klarspülen müssen, um nicht schleifend nach unten zu rollen. Kein Vergnügen mit dem eiskalten Wasser.

Die Kälte will nicht weichen und wir packen unsere dicken Handschuhe zusätzlich in Mülltüten ein, damit wir den eisigen Wind fernhalten können. Bibbernd, aber überglücklich rollen wir noch ein paar hundert Höhenmeter nach unten, bevor wir auf gut 3.500 m einen traumhaften Platz für unser Zelt finden. Schnell in den eiskalten Fluss, all die Strapazen abspülen und hinein in unsere Villa Sonnenschein. Was für ein Tag, was für eine überwältigende Bergkulisse!

Die nächsten Tage radeln wir ganz langsam in Richtung Naryn. Bergab verläuft die Piste recht seicht und wir sind einige Tage über 3.000 m. Wir lassen uns richtig viel Zeit und genießen jeden Meter. Die Natur ist unbeschreiblich schön und wohl das, was man mit Kirgistan verbindet.

Wir verlassen das enge Tal und vor uns liegt eine weite, steppenartige Ebene zwischen den Bergen. Es ist auf einmal sehr trocken. Wir finden einen kleinen, braunen Bachlauf und jetzt kommt der Moment, wo wir richtig froh darüber sind, einen Wasserfilter zu haben. Doch das dreckige Wasser setzt den Filter zu. Wir versuchen trotzdem das Wasser durchzupressen, der Beutel platzt…
Auf einmal stehen wir da, ohne Trinkwasser! Wir schrauben den Filter auf unseren Wassersack. Das Pressen ist mühsam, aber es funktioniert immerhin. Eine ziemlich blöde Situation, denn an sich findet man hier in den Bergen so klares Wasser. Selbst in der trockenen Gegend, in der wir gerade sind, gibt es ab und an einen klaren, sprudelnden Bach. Doch durch den Filter haben wir uns unabhängiger gefühlt und das vorausschauende Wasserbesorgen etwas außer Acht gelassen.

In den Tagen abseits der Zivilisation sehen wir so gut wie keine einheimischen Menschen. Wir treffen allerdings viele Radfahrer*innen, die wie wir die kirgisische Bergwelt genießen.
Als unsere Köpfe ziemlich vollgepackt von dieser schönen Berglandschaft sind, ändert sich die Natur erneut. Aus der trockenen, weiten Steppe werden enge Schluchten und wir bekommen gezeigt, wie vielseitig die kirgisische Bergwelt doch ist.

Sieben Tage nachdem wir den Issyk Kul verlassen, erreichen wir die erste kleine Ortschaft mit festen Häusern. Doch viel ist hier nicht los. Ein paar Kühe und Pferde hier, ein paar Kids da. Der kleine Dorfladen, in dem wir eine Schoki oder sowas ergattern wollen, ist verschlossen.

Wir treffen einen netten Mann davor, der gerade eine Forelle in seinem Kescher durchs Dorf trägt. Als wir wenig später ohne Schoki durchs Dorf radeln winkt er uns noch einmal heran und lädt uns auf einen Tee zu sich nach Hause ein. Bei den herannahenden, ziemlich düster aussehenden Wolken nehmen wir die Einladung gern an und finden uns wenig später am Küchentisch von Kutmans Familie wieder. Anscheinend ist gerade Kaffee- bzw. in diesem Fall Teezeit, denn der Tisch ist bereits mit selbstgemachter Marmelade, selbstgemachtem Joghurt, Brot und Butter gedeckt. Kutmans Mutter Baktygul begrüßt uns herzlich und macht alle Schüsseln direkt noch einmal voll. Wenig später kommt auch Onurbek, der lustige Vater der Familie, um die Ecke und lächelt uns entgegen.

Wir unterhalten uns mit Händen, Füßen, imitierenden Tiergeräuschen und unserem ohne Wörter Wörterbuch und bekommen, während wir unseren ersten, selbstgemachten kirgisischen Joghurt probieren, der von Kutman vorher noch mit ordentlich Zucker gemischt wird, einen lustigen Kirgisisch Sprachkurs.
Traditionell wird das Brot vorm Speisen feierlich vom Gastgeber in die Hand genommen und in möglichst gleich große Stücke geteilt. Die Stücke werden dann vor die Gäste gelegt oder in deren Hände verteilt. Brot gilt hierzulande als heilig.
Die selbstgemachten Leckereien sind köstlich. Auch die uns noch vom vorm Dorfladen bekannte, frisch aus dem Naryn gefischte Forelle, wird im Anschluss noch von Bruder Adilet frisch gegrillt serviert. Zum krönenden Abschluss spielt uns Papa Onurbek noch hingebungsvoll etwas auf seiner komuz, dem kirgisischen Nationalinstrument, vor. Dann streichen sich alle über das Gesicht und sagen irgendetwas zwischen Ohm und Amen. Dieses Ritual gehört in Kirgistan zum Essen dazu und spiegelt die Dankbarkeit gegenüber Allah für das gemeinsame Essen und gleichzeitig das Ende der Mahlzeit wider. Danach muss die Familie wieder an die Arbeit. Wir bedanken uns herzlich, verabschieden uns und steigen überglücklich wieder aufs Rad.

Ein letztes Mal schlummern wir da wo sich großer und kleiner Naryn treffen in der Natur, bevor wir die richtige Zivilisation erreichen werden. Doch der Weg nach Naryn stellt sich nach einem kurzen, sehr neu asphaltierten Streckenabschnitt noch einmal als fordernde „Straße“ heraus. Zu früh gefreut. Wellblech, Schotter und Schlaglöcher wechseln sich ab und wir kommen ziemlich k.o. in der Stadt an.
Nun wollen wir erst einmal Durchatmen, bevor wir die Vorräte wieder auffüllen müssen, denn wie heißt es so schön: Nach dem Pass ist vor dem Pass. Am meisten freuen wir uns nun auf das frische Obst und Gemüse vom Basar. 

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karen Schröder

    Moin, Moin!
    Schön, dass ihr Gesellschaft hattet mit wichtigen Tipps und guter Laune! Der Alkoholkonsum ist wohl überall weit verbreitet…. Bettelnde Kinder habe ich aus Marokko in trauriger Erinnerung. In Gruppe wollten sie uns unterwegs einschüchtern.
    Die Fotos sind wieder sensationell! Ich hätte nicht gedacht, dass ihr schon mit Schnee rechnen müsstet, aber eigentlich klar so hoch im Gebirge. Gute Erholung und nette Autofahrerin en wünschen euch Renate und Karen 🌼🌼🍁🍄☀️